P. B. Kerr: Der Spion im Himalaya – Die Kinder des Dschinn 6 (Buch)

P. B. Kerr
Der Spion im Himalaya
Die Kinder des Dschinn 6
(The Five Fakirs if Faizabad)
Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Münch
Titelillustration von Dieter Heidenreich
Oetinger, 2010, Hardcover, 442 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-37891-4035-8

Von Carsten Kuhr

John und Philippa, unser Dschinn-Zwillingspaar, ist gerade vierzehn Jahre alt geworden – ein ganz besonderes Alter für einen Dschinn. Die Tradition will es, dass die heranwachsenden Dschinn mit vierzehn das erste Mal einem Menschen die berühmt-berüchtigten drei Wünsche erfüllen sollen. Weise sollen sie dabei vorgehen, genau prüfen, ob der Empfänger der Wünsche dies auch verdient – und natürlich müssen sie jeder die Aufgabe alleine meistern.

Während Philippa in Italien nach dem weltweit größten Pechvogel fahndet und auf einen wunschlos glücklichen Menschen trifft (!), schließt sich John dem Butler Groanin bei dessen jährlichen Urlaub an der Küste Englands an. Hier, in einem kleinen Kaff, in dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, scheint das Unglück unverhältnismäßig oft zuzuschlagen. Hier sollte sich, so Johns Kalkül, doch ein Pechvogel finden lassen, dem er seine drei Wünsche erfüllen kann. Stattdessen aber stößt er auf einen dunkle Verschwörung. Unbekannte versuchen die letzten Geheimnisse der Menschheit, die von in todesähnlichem Schlaf liegenden indischen Fakiren gehütet werden, zu lüften.

Zusammen mit ihrem Onkel Nimrod, der Leiterin des KGB und einem weisen Fakir, versuchen die beiden das Ungleichgewicht des Glücks wieder auszugleichen. Dafür aber müssen sie der Welt etwas wirklich Wunderbares offenbaren – wie etwa die Existenz Shamba-Las, des tibetanischen Garten Eden, mitten im Himalaya. Auf ihrem Weg dorthin treffen sie nicht nur böse Dschinn, unsterbliche Nazis sondern auch den reinkarnierten Mr. Rakshasas ...

Mit Speck fängt man Mäuse – und wenn man ein junges Lesepublikum von der X-Box und dem iPod weglocken will, dann braucht man dazu verschiedenste Ingredienzien. Als da wären jugendliche Protagonisten, mit denen sich der Leser identifizieren kann, eine spannende Handlung voller unerwarteter Wendungen, fiese Gegner zuhauf und exotische Schauplätze. Nach einem etwas gemächlichen Start kommt die Handlung dann recht schnell in Fahrt. Und Kerr fährt aus seinem obigen Rezept auf, was ihm und seinen Fans lieb und teuer ist. Alte Geheimnisse werden gelüftet, wir begeben uns auf den Spuren von 1001 Nacht auf dem gewebten Faden fliegender Teppiche an die Spitze des indischen Seiltricks, um dort einen Eremiten kennenzulernen. Ein Golem, eine mittlerweile unsterbliche Nazi-Expedition, Shangri-La und Seelenwanderung, die malerische Kulisse des Himalaya – Herz, was willst du mehr? Mehr ist hier auch ein wenig das falsche Adjektiv. Weniger wäre fast mehr gewesen. Viel, für meinen Geschmack zu viel hat Kerr dieses Mal in seinen Topf geworfen, um in der Metapher zu bleiben. Er häuft Geheimnisse auf Mysterien, wir besuchen Bibliotheken mit verbotenen oder verschollenen Büchern, reisen auf Teppichen, kämpfen gegen Golems – das alles lässt uns und dem jüngeren Leser kaum Zeit, das Geschehen zu reflektieren. Die Action erschlägt einen schier, so manche Wendung war überflüssig, die als Topic ausgelutschte Nazi-Expedition auf der Suche nach der Unsterblichkeit störend.

Nicht, dass sich das Buch nicht spannend anbieten würde, doch es wirkt gleichzeitig eben auch überfrachtet, lässt Wünsche nach mehr und sorgfältiger aufbereiteten Details offen. Es wirkt ein bisschen, als sei das Buch mit der heißen Nadel gestrickt worden, sodass Vieles, für das die Reihe berühmt ist, vorliegend fehlt. Zwar immer noch ein spannend und kurzweilig zu lesendes Buch, aber auch eine kleine Enttäuschung.