Monika Felten: Kristall der Macht (Buch)

Monika Felten
Kristall der Macht
Piper, 2010, Hardcover, 412 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-492-70149-5

Von Carsten Kuhr

Inmitten des weiten Blau des Meeres liegt die kleine Insel Nintau. Hier, abgeschieden von den großen Konflikten der Welt, leben die Bewohner friedlich und in Einklang mit der Natur, ernähren sich von Fischfang und ein wenig Landwirtschaft. Doch das war nicht immer so. Vor Generationen suchte ein Dämon die Insel heim. Dessen giftiger Odem tötete die Bewohner, Menschen wie Tiere gleichermaßen. Nur dem Opfer von fünf Jungfrauen und der zauberkräftigen Macht der damaligen Maor-Say war es zu verdanken, dass der Dämon letztlich gebannt wurde. Was keiner je vermutete aber, das tritt eines Tages ein. Vom Meer kommend breitet sich erneut der giftgelbe Odem über der Insel aus.

Nur einigen Wenigen gelingt die Flucht in höhergelegene Regionen der Insel, in der sich auch die aktuelle Maor-Say, Noelani, aufhält. Hat sie ihre Pflicht vernachlässigt, ja grob fahrlässig ihre Aufgabe vergessen? ist der Dämon wirklich wieder zum Leben erwacht?

Seit Jahren schon hütet sie den Kristallkreis, lebt abgeschieden von ihrer Zwillingsschwester und den Insulanern im Tempel. Von Reue und Schuldgefühlen geplagt will sie sich das Leben nehmen, doch dann begegnet sie auf einer Geistreise der Seele ihrer Schwester Kaori. Dieser wurde, aufgrund ihrer Geburt als Zwilling die Aufnahme in die Nachwelt zunächst verweigert, und in der Zwischenwelt zwischen Leben und Tod lernt sie den dort gebannten Dämon kennen. Der Geist des Luantar wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe, das Unheil über die Insel gebracht zu haben. Schon vor Generationen musste er als Sündenbock für die von der Nachbarinsel herüberwehenden giftigen Vulkandämpfe herhalten. Noelani kann es zunächst kaum glauben, überzeugt dann jedoch die Überlebenden, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und ins vermeintlich sichere Festland überzusiedeln. Dort aber geraten die Flüchtlinge vom Regen in die Traufe. Das Königreich Baha-Uddin wird von den Rakschun bedrängt. Während die Truppen des despotischen Königs immer weiter zurückgedrängt werden und der Kronprinz gefangengenommen wird, will sich der König der Hilfe der Maor Say versichern – komme, was wolle. Dass Noelani das Morden aus Überzeugung ablehnt, stört den intriganten Monarchen wenig. Um ihr Volk zu schützen, muss Noelani ihre Kräfte in den Dienst der guten (?) Sache stellen – doch damit beginnen die Abenteuer erst...

Monika Felten hat, seitdem sie mit ihrer „Thale“-Sage debütierte, einen weiten Weg als Autorin zurückgelegt. Zwischenzeitlich hat sie sich von tolkienesquenen Einflüssen freigemacht und ihre eigene Nikesche in der modernen deutschsprachigen Fantasy gefunden. Vorliegendes Buch legt nicht nur davon, sondern auch vom Zuspruch ihrer Fans und Leser beredt Zeugnis ab. Während andere deutschsprachige Autoren, die Piper zunächst im Hardcover herausbrachte, ihre neuen Titel schon lange im Taschenbuch erstveröffentlichen, erscheinen die Romane von Monika Felten weiterhin in gediegener Hardcover-Ausstattung mit stimmungsvollem Titelbild und Lesebändchen.

Inhaltlich hat sich die Autorin auf leise Töne spezialisiert. das heißt aber beileibe nicht, dass es nicht spannend zugehen würde. Doch die Zeit der im Mittelpunkt stehenden großen Schlachtengemälde ist vorbei.Viel interessanter als wilde Kämpfe scheinen ihr und dem Leser die Gestalten zu sein. Neben dem Zwillingspaar, in dessen Zeichnung und Entwicklung sie viel Mühe hineingesteckt hat, sind es andere, auf den ersten Blick archetypisch agierende Gestalten, die uns in ihren Bann ziehen. Sei es der despotisch-intrigante König, der mutige, spionierende Schmied oder der lernfähige Prinz, die Autorin zeichnet sie zwar klar erkennbar in Gut und Böse, lässt aber auch Zwischentöne zu. Es geht ihr immer auch darum, aufzuzeigen, dass Menschen für ihre Überzeugungen einstehen, dass sie manchmal, wenn sie sich gezwungen sehen, entgegen diesen handeln an dem Verrat am eigenen Ich zu zerbrechen drohen.

Das richtet sich eher an eine weibliche Lesergemeinde, legt viel Wert auf eine überzeugende Darstellung der Gefühlswelt der Personen, überrascht aber immer wieder mit Ideen und Anstößen, die zum Weiterdenken anregen. Fantasy der leisen Töne, dabei aber versiert aufgezogen, inhaltlich durchaus packend und sprachlich gefällig.