Victoria Aveyard: Das Reich der Asche - Realm Breaker 1 (Buch)

Victoria Aveyard
Das Reich der Asche
Realm Breaker 1
(Realm Breaker, 2021)
Übersetzung: Michaela Link
Penhaligon, 2021, Hardcover, 606 Seiten, 20,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Seit Generationen sind die Spindel, Tore in andere Welten, geschlossen und versiegelt. Einst kamen aus den nun verschütteten Übergängen ganze Völkerscharen aber auch jede Menge Monster nach Allwacht, man trieb man Handel und mehrte den Reichtum aller. Nachdem die Spindel geschlossen wurden, blieben einige Unsterbliche, Kinder des Übertritts, auf Allwacht zurück, vermischten sich mit den Menschen und zogen sich schließlich in abgelegene Landstriche zurück.

Nun hat ein Renegat mit Hilfe eines Zauberers und einer der beiden Spindelklingen eine der Spindeln aufgerissen und einer Armee das Tor nach Allwacht geöffnet. Eine Streitkraft aus unbesiegbaren, weil bereits toten Aschekriegern, die die Königreiche erobern und dem Lauernden die Welt zu Füßen legen sollen.

Ihnen stellen sich eine junge, unbedarfte Frau und ihre Gefährten entgegen - und trotz all ihrer Kräfte und ihrer Talente stehen sie auf verlorenem Posten.


Es gab einmal eine Zeit, da ähnelten sich die Fantasy-Epen, die damals die Bestseller-Listen stürmten. Eine Zeit, da wir Lesenden einem jungen, zumeist unbedarften aber entwicklungsfähigen Helden ins Abenteuer folgten, das dieser, natürlich unter tätiger Mithilfe einer ganzen Gruppe von Gefährten, meisterte. Diese Zeit schien vorbei - schien, weil Bestseller-Autorin Victoria Aveyard uns zumindest auf den ersten Blick genauso einen Auftakt einer - wie kann es auch anders sein - Trilogie offeriert.

Ich sagte auf den ersten Blick; hier eine junge, naive und in Kampf und Intrige untalentierte Frau, vom Schicksal und der Autorin auserwählt, das drohende Unheil, den Untergang der Welt, zu verhindern. Sie sammelt, wie wohlerprobt, um sich herum eine wackere Gruppe Abenteurer - und genau da beginnt die Geschichte so richtig interessant zu werden.

Denn was sich da zur Letzten ihres Blutes, der Tochter einer brutalen, mörderischen Piratin und eines Unsterblichen gesellt, das entspricht aber auch so gar nicht dem Üblichen. Am Ehesten erinnert noch ein Knappe, der seine Ehre sucht, an das klassische Vorbild. Dazu gesellt sich ein traumatisierter Unsterblicher, den die schnelllebige, laute und chaotische Welt der Menschen anödet, eine mitleidlose Attentäterin ohne jegliche Moral oder Unrechtsbewusstsein, eine verrückte, uralte, demente Zauberin, ein zwielichtiger Fälscher und eine halsstarrige Kopfgeldjägerin, für die nur blanke Münze zählt - das sollen unsere Retter sein? Mörder, Schurken und Verräter, allesamt? Arme Welt, noch nicht einmal so richtig erobert und schon den Kampf verloren…

Dass sie in einer Welt leben, die uns als laut, dreckig, verdorben, ungerecht und brutal beschrieben wird, sorgt für Authentizität und Überzeugungskraft der Bühne. Dass in dieser mitleidlos gemeuchelt (vornehmlich befinden sich die Opfer in ihrem Gemach in tiefem Schlummer - so minimiert sich das Risiko für denjenigen, der das Messer über die Kehle des Opfers zieht), betrogen, erpresst und gemordet, was das Zeug hält. Diversität findet in die Beschreibung als Selbstverständlichkeit Eingang. Das hat nicht nur jede Menge innere Überzeugungskraft, es liest sich auch spannend und packend. Natürlich, das wissen wir erfahrenen Fantasy-Freunde, werden unsere Helden am Ende allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz triumphieren - wie sie dies erreichen, ist das Interessante.

So bleibt am Schluss die Feststellung, dass die Autorin altbekannte Grundansätze nimmt und beibehält, diese aber so frisch und interessant abwandelt, dass die Handlung uns in ihren Bann zieht.