Robert McCammon: Matthew Corbett in den Fängen des Kraken (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 21. Oktober 2020 08:10

Robert McCammon
Matthew Corbett in den Fängen des Kraken
(The Providence Rider, 2012)
Übersetzung: Nicole Lischewski
Titelbild: Michael Schubert
Luzifer, 2020, Hardcover, 516 Seiten, 24,95 EUR, ISBN 978-3-95835-501-9 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Wir schreiben das Jahr 1703. New York stellt sich auf den nächsten Winter ein, das öffentliche Leben reduziert sich auf das Innere der Häuser. Da kommt es nicht gut, wenn besagte Häuser abbrennen, zumal man vor dem jeweiligen Brand ein lautes Geräusch hört.
Zunächst denkt sich Matthew Corbett, seines Zeichens Ermittler in Diensten von Mrs. Herrald nichts dabei, bis er feststellen muss, dass bei jedem der abgebrannten Häuser in der unmittelbaren Umgebung sein Name auf eine Wand gemalt wurde. Da versucht jemand, mit wahrlich drastischen Mitteln seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er ahnt auch schon, wer hinter den Anschlägen steckt - sein alter Feind, Professor Fell.
Als er sich beharrlich weigert, der Einladung von Fells Abgesandten zu entsprechen, wird er kurzerhand entführt und mit dem Leben von seiner Freundin Berry erpresst. An Bord eines Segelschiffs machen sie sich auf nach Pendulan Island in der Karibik. Einer malerisch gelegenen Insel, die dem Professor gehört und auf der dieser in unregelmäßigen Abständen seine wichtigsten Untergebenen um sich sammelt.
Hier trifft Matthew, zunächst verkleidet als einer der Schergen des Professors, nicht nur auf dessen fähigsten Helfer, auch das Mastermind selbst gibt sich die Ehre. Das Angebot nach seiner Enttarnung ist dann mehr als großzügig: den oder die Verräter in den Reihen der Getreuen finden, dafür erhält er 300 Pfund - und der Todesbefehl, den der Professor auf ihn ausgestellt hat, wird zurückgenommen.
Doch dann muss Matthew feststellen, dass nicht alle Schergen gleich verdorben sind, dass darunter einige sehr offensiv ihr Vergnügen suchende Damen sind und dass auf der Insel eine Waffe gefertigt wird, die das politische Gleichgewicht auf dem alten Kontinent empfindlich stören könnte…
Robert McCammon hat am Beginn seiner literarischen Karriere wunderbare Horror-Romane verfasst. Das kürzlich bei Luzifer neu aufgelegte „Boys Life“ gehört zu den Standardwerken der 80er Jahre. Daneben hat er, quasi als zweites Standbein, den Historischen Roman für sich entdeckt.
Sorgfältig recherchiert nimmt er sich der Zeit um die Jahrhundertwende zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert an. Und er reichert diese Romane um etwas an, das man in derartigen Werken selten findet. Neben der packend und rasant aufgezogenen Thriller-Handlung, neben dem fast schon an einen Kriminalplot erinnernden Inhalt, packt er auch ein klein wenig Übernatürliches in seine Reihe.
Mittlerweile sind im Original sieben Titel um und mit Matthew Corbett erschienen, die Reihe hat Kult-Status erreicht Umso mehr ist es zu begrüßen, dass Luzifer den Zyklus nicht nur nach Deutschland holt, sondern das Werk auch in einer gediegenen Hardcover-Ausgabe mit sehr stimmigen Titelbildern präsentiert. Wurden zu Beginn der Edition zwei der Romane ihres Umfangs wegen in jeweils zwei deutschsprachige Bände gesplittet, liegt vorliegendes Werk komplett in einem Band vor.
Und der Leser darf sich auf eine wahre Achterbahnfahrt voller Spannung, Geheimnisse und Intrigen gefasst machen. Mit vielen Hinweisen auf die vorhergehenden Bände, die man fast schon gelesen haben sollte um alle Anspielungen und Verweise zu verstehen, gespickt bietet sich der Plot temporeich und unheimlich spannend an.
Durch die Verlagerung der Handlung von der Ostküste Amerikas in die Karibik erhält der Autor die willkommene Gelegenheit, Windjammer-Romantik ebenso einzubauen, wie eine malerisch gelegene Insel voller Geheimnisse, eine versunkenen Stadt und ein hochherrschaftlichen Anwesens als Kulisse zu nutzen.
In diese platziert er nicht nur das Mastermind hinter dem Verbrecher-Syndikat, dessen Geheimnisse, wie dieser zu dem wurde, der er ist gelüftet werden, sondern über dessen Pläne und Organisation wir mehr erfahren.
Der Roman lebt dabei von den skurrilen Figuren, die so manches Mal an Gestalten aus einem Roman von Charles Dickens erinnern. Wir finden dabei Figuren, die wir erwarten können: ein indischer Mörder mit großem, gezackten Messer, oder Zwillingsbrüder, die ebenso blutrünstig wie mitleidlos ihrem Hobby, andere Menschen vom Leben in den Tod zu befördern, nachgehen.
Daneben aber erwarten uns Verbrecher, die durchaus interessant, ja fast schon sympathisch wirken. Etwa eine Fälscherin, ein Arzt, der von seinen eigenen Mitteln zu sehr angetan ist und ein Finanzjongleur der ein leidenschaftlicher Literaturkenner ist - sie alle sind vielschichtig und lebendig gezeichnet.
Dass der Roman ein wenig braucht, um richtig in Fahrt zu kommen sei angemerkt. Wer aber die ersten rund 100 Seiten hinter sich gebracht hat, der stößt auf einen Plot der fasziniert, in dem die Ereignisse spannend ablaufen, jede Menge Dramatik und markante Figuren auf einen wartet und der bestens unterhält.