Victor Gischler: Die Go-Go-Girls der Apokalypse (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 21. August 2010 14:21
Victor Gischler
Die Go-Go-Girls der Apokalypse
(Go-Go Girls of the Apocalypse)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Brandhorst
Titelillustration von Anke Koopmann
Piper, 2009, Taschenbuch, 392 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-29194-1
Christel Scheja
Bevor sich Victor Gischler dem Schreiben zuwandte, war er Englischlehrer. Er versuchte sich zunächst an Thrillern. „Die Go-Go-Girls der Apokalypse“ ist sein erster phantastischer Roman.
Frustriert zieht sich Mortimer Tate nach der Scheidung von seiner Frau in einen Bungalow in den Bergen zurück, weil er von der Welt enttäuscht ist und auch als Versicherungsvertreter nicht mehr auf einen grünen Zweig kommt. Von nun an lebt er von seinen Ersparnissen und versorgt sich weitestgehend selbst. Nur hin und wieder macht er einige Besorgungen, ansonsten bleibt das Radio seine einzige Verbindung zur Welt, bis ihm die Batterien ausgehen. So bekommt er nur teilweise mit, dass mittlerweile die Apokalypse über die Welt hereingebrochen ist. Eine Pandemie, Kriege zwischen Ländern, die ohnehin schon die ganze Zeit mit den Messern wetzten, und Bombenattentate von Terroristen stürzen die Welt ins Chaos. Nachdem er drei Menschen erschossen hat, die sich unerlaubt seiner Hütte genähert haben, erwacht Unruhe in ihm. So packt Mortimer einen Hundeschlitten und macht sich auf den Weg, um nach seiner Frau zu suchen. Doch schon nach kurzer Zeit verliert er durch einen feigen Angriff sein Hab und Gut sowie einen Finger und kann sich glücklich schätzen, dass es auch noch Leute gibt, die anderen das Leben retten. Von nun an zieht er zusammen mit dem noch jungen und idealistischen Bill, der ein wenig die Revolverhelden des Wilden Westens nachahmt, durch das Land, reist auf einem Zug, der durch Menschenkraft angetrieben wird, gerät fast unter Kannibalen und kann sich erst wieder im ‚Joey’s Armageddon’s Sassy-A-Go-Go-Strip-Club‘ erholen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein und ‚man(n)‘ kann sich der Illusion hingeben, dass nichts passiert ist. Und das ist auch der Ort, an dem Mortimer erstmals von seiner Frau hört.
Das einzige phantastische Element in „Die Go-Go-Girls der Apokalypse“ ist eigentlich nur die Tatsache, dass der Roman in einer postapokalyptischen Welt angesiedelt ist, die sehr stark an „Mad Max“ und andere Endzeit-Visionen erinnert. Ansonsten tauchen keine übernatürlichen Wesen, Mutanten oder Magie auf. Wenn sich die Menschen bekämpfen, dann mit ganz normalen archaischen und modernen Waffen, List oder Heimtücke.
Überhaupt geht es sehr gewalttätig in dem Buch zu. Gleich auf den ersten Seiten erschießt der Held ‚mal eben‘ Menschen und erlebt eine Vergewaltigung mit. Es wird auch später weiter gemetzelt, Frauen dienen in erster Linie leider nur als Sexobjekte, wenn sie nicht gerade kämpferische Qualitäten entwickeln, um sich gegen die Männer zu behaupten. In diesem Moment spielt auch etwas „Sin City“ mit hinein. Die Geschichte ist klischeebeladen, voller kauziger Figuren und hat stellenweise satirische Szenen, aber vieles wird dann doch wieder zu ernst geschildert, als dass man darüber schmunzeln kann. Manchmal bleibt einem sogar das Lachen im Hals stecken, denn wenn die Gewalt überhand nimmt und fast schon wie zum Selbstzweck wirkt, dann ist das nicht mehr humorvoll. Auch die Ideen und ihre Zusammenstellung sind nicht gerade neu, sondern seit Jahren typisch für diese Spielart des Genres. Selbst die Figuren bleiben sehr blass und farblos, obwohl man gewisse Sympathien für Mortimer entwickelt, weil dieser noch die menschlichste und fehlerhafteste Gestalt in diesem Roman ist. Ebenso wenig hat die Geschichte einen Höhepunkt. Die einzelnen Episoden der Reise hängen eigentlich nur durch die Suche nach Mortimers Frau zusammen und plätschern mehr oder weniger dahin, auch wenn es den einen oder anderen actionreichen Moment gibt.
„Die Go-Go-Girls der Apokalypse“ mag vielleicht den Lesern gefallen, die ein Faible für düstere Endzeit-SF haben und sich auch Filme wie „Mad Max“ mit Genuss ansehen können, eine ironische Satire mit Witz und bizarren Ideen wie der Klappentext behauptet, ist das Buch allerdings nicht.