Nicholas Eames: Könige der Finsternis (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 12. März 2019 17:58
Nicholas Eames
Könige der Finsternis
(Kings of the Wyld, 2017)
Übersetzung: Michael Siefener
Titelbild: Richard Anderson
Heyne, 2019, Paperback, 632 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-453-31887-8 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Sie galten einstmals als die Heldentruppe schlechthin. Wo immer und wann immer scheinbar unüberwindbare Bestien, Nekromanten, Zyklopen oder Zentauren auftauchten, rief man sie und sie obsiegten. Immer und gegen alle Wahrscheinlichkeiten! Doch das ist lange, sehr lange her. Jetzt sind sie alte Männer, haben sich zurückgezogen, wollen von dem ehemaligen Ruhm nichts mehr wissen.
Clay Cooper, besser bekannt unter dem Namen die Langsame Hand, hat geheiratet, hat eine neunjährige Tochter und verdient seinen Sold als einer der Wachen einer kleinen Ortschaft. Als eines Tages sein alter Kumpel und Kampfesbruder Gabriel vorbeischaut, ahnt er schon, dass dies nichts Gutes bedeutet.
Gabriels Tochter ist in der belagerten Stadt Castia verschollen. Gabriel will die alte, müde Truppe wieder zusammenbringen, um seine Tochter zu befreien oder zumindest würdevoll zu beerdigen. Ein Ansinnen, das der alternde Recke nicht von sich weisen kann, so gerne er dies auch täte.
So schultern sie ein weiteres, ein letztes Mal Schild und Schwert, machen sich auf des Schusters Rappen auf den mehr als mühevollen und gefährlichen Weg durch den Herzwyld ins Unbekannte - die Queste hat sie wieder…
Wie heißt es bei den Blues Brothers so treffend: „We’re putting the band back together“. Was im Bereich des Rhythm & Blues funktioniert, das ist als Blaupause für die Mischung aus Dark Fantasy und High Fantasy auch geeignet.
Einen klassischen Fantasy-Roman über alternde Recken zu schreiben, das erfordert Mut. David Gemmell und Richard Morgan taten es, Joe Abercrombie auch, dann hört die Liste aber, soweit mir bekannt, schon ziemlich schnell auf.
Dabei sind entsprechende Werke doch wirklich potentiell interessant. Alte Kämpfer haben jede Menge Erfahrung, sicherlich auch so manches Zipperlein, können ihren Kopf aber auch immer wieder mit Tricks und Kniffen, die sie leidvoll gelernt haben, aus der Bredouille ziehen.
Nicholas Eames nutzt dieses Potential in seinem Debüt-Roman weidlich.
Er beschreibt uns eine wilde, eine gefährliche Welt, in der die Menschen mehr oder minder versiert versuchen gegen die Monster in den Urwäldern zu bestehen. Und da draußen, im ewigen Grün oder hoch in den unwirtlichen Gebirgen, lauern wahre Horden von tödlichen Bestien. Ach ja, ein Drache kommt auch vor - einer von der garstigen, tödlich beleidigten Sorte.
In diese Kulisse setzt er dann seine ungewöhnlichen Helden. Das sind Männer - Frauen kommen mit einer Ausnahme eher am Rande vor -, die müde sind, die realistisch an die Auseinandersetzungen herangehen und eher versuchen sich an einem Konflikt vorbei zu schleichen, als dass sie unbedingt ruhmreich das Schwert schwingen. Dass dies ihnen leider in den seltensten Fällen gelingt, war abzusehen, so dass sie von einer tödlichen Gefahr in die nächste stolpern. Da gibt es dann alles, was des Lesers Herz erfreut. Fliegende Schiffe, wilde Kämpfe, verzauberte Waffen, Monster und Schätze, Zauber und die Aussicht auf einen mehr als schmerzhaften Tod.
Auf unsere wackeren Fünf kommt so Allerlei zu, nicht zuletzt die leidige Aufgabe, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen und erkennen und akzeptieren zu dürfen, dass sie einfach nicht mehr jung sind.
Das liest sich nicht nur unterhaltsam und packend, das atmet auch eine gehörige Portion an Realismus. Da hat der Autor auch eine gehörige Portion an Selbstironie und Humor mit einfließen lassen, wobei der auf dem Waschzettel werbewirksam abgedruckte Hinweis, den Leser würde eine Mischung aus G. R. R. Martin und Terry Pratchett erwarten, mehr als daneben ist.
Leider hat der Verlag das Buch ein wenig lieblos gestaltet: keine Klappbroschur, lediglich der geprägte Titel und das von der englischen Ausgabe übernommene, nicht unbedingt meinen Geschmack treffende Originalcover sind zu nennen. Dafür hat Heyne dem Roman mit Michael Siefener einen der versiertesten Übersetzer spendiert, der erneut beste Arbeit abliefert.
Insgesamt ein toller Roman für Fans von Abercrombie und Co., wobei noch nicht klar ist, ob die Fortsetzung „Bloody Rose“ auch ihren Weg in deutsche Lesestuben finden wird.