C. E. Bernard: Palace of Fire - Die Kämpferin (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 03. Oktober 2018 11:45

C. E. Bernard
Palace of Fire - Die Kämpferin
Palace 3
Übersetzung: Charlotte Lungstrass-Kapfer
Penhaligon, 2018, Paperback mit Klappenbroschur, 512 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-7645-3198-0 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Nachdem die junge Magdalena Rea zur Leibwächterin des englischen Kronprinzen Robin ernannt wurde und sich in ihn verliebte, musste sie nach der Aufdeckung des Geheimnisses, dass sie zu dieser verfolgten Art Mensch gehört, ihre Gabe einsetzen, um sich und ihre Freunde zu retten. Sie fliehen alle nach Paris („Palace of Glass“). Dort entdeckt Rea ein ganz anderes, freies Leben, doch die Vergangenheit holt sie ein, als Robin ihr nach Frankreich folgt. Erneut soll sie für seine Sicherheit sorgen und befreit ihn aus der Gewalt eines Entführers, woraufhin er sich zu ihr bekennt, um sie als seine Braut heimzuführen („Palace of Silk“).
Nur ungern fliegen Rea, Robin und ihre Kameraden nach London, wo sie sich wieder zahlreichen Tabus unterwerfen müssen, aber sie sind entschlossen, sich für die Freiheit aller Menschen, einschließlich der Magdalenen, und gegen das Berührungsverbot einzusetzen. Robin soll den Thron besteigen und sein Vater abdanken oder beseitigt werden. Die Bevölkerung hinter sich zu bringen und eine gewaltlose Revolution einzuleiten, erweist sich allerdings für die unerfahrene Gruppe als äußerst schwierig und gefährlich, denn die Spitzel des Monarchen sind überall.
Außerdem muss sich Rea einer peinlichen Prüfung unterziehen, die sicherstellen soll, dass keine Magdalena die Frau des Prinzen wird und diesen mit ihren Gaben manipuliert. Damit nicht genug wird die Bewegungsfreiheit von Ninon, Reas engste Vertraute und Cousine des Roi, eingeschränkt, weil sie sich in Paris als Magdalena geoutet hat, um die Menschen zu ermutigen, sich den strengen Gesetzen und dem Tabus zu widersetzen. Infolgedessen verliert Rea ihren wichtigsten Zugang zu den Medikamenten, die sie gegen das Geistesfieber benötigt, das ihr immer stärker zusetzt.
Ausgerechnet der Hautkontakt mit dem undurchschaubaren Count Nottingham, der die Leitung der GVK übernommen hat, jene Truppe, welche die Magdalenen und Tabu-Brecher jagt, verschafft Rea Linderung. Tatsächlich ist auch er eine Magdalena, und da sie einander nun in der Hand haben, bietet er ihr ein Bündnis an, weil er vom Sturz des Königs zu profitieren hofft, zumal es keinen offiziellen Nachfolger mehr gibt, seitdem sich Robin und seine jüngeren Geschwister öffentlich gegen den Vater gestellt haben.
Der König plant, mit Rea, statt mit seiner Gemahlin, einen neuen Kronprinzen zu zeugen. Das wäre die ideale Gelegenheit, den grausamen Monarchen zu töten. Aber kann Rea jenen, die sie dazu drängen - Count Nottingham, Madame Hiver, die englische Königin, die Kaiserin von Deutschland -, wirklich vertrauen? Und wird das Volk nach diesem Zeichen durch die legendäre Feuerschwester, für die man Rea hält, weiter hinter Robin stehen und friedlich demonstrieren? Kann aus einem Unrecht wie Mord Recht werden und eine Wiederholung des blutigen Endes der Revolution, die Reas Großmutter vor einigen Jahrzehnten anführte, verhindert werden?
Mit „Palace of Fire“ setzt C. E. Bernard den Schlusspunkt unter ihre „Palace“-Trilogie.
Die Protagonisten, welche sich um Hauptfigur Rea, aus deren Perspektive die Ereignisse geschildert werden, geschart haben, kehren nach England zurück, sehr wohl wissend, dass sie sich dort in Lebensgefahr befinden. Die Freiheiten, die die Menschen auf dem Kontinent - noch - genießen (persönliche Wahl der Kleidung, Zugang zu kulturellen Veranstaltungen und Unterhaltungsmöglichkeiten, kein Berührungsverbot, Akzeptanz der Magdalenen), sind für die Bevölkerung auf der Insel seit langem verloren. Dennoch gehen die Freunde das Wagnis ein, um die Freiheit in Deutschland, Frankreich und anderen Staaten, in denen bereits reaktionäre Kräfte die gleichen Tabus wie in England und Amerika fordern, zu verteidigen und in jenen Ländern zu ermöglichen, wo man sich nach Freiheit sehnt.
Über die Mittel und Wege, wie die Revolution erfolgreich und ohne Opfer durchgezogen werden kann, sind sich Reas Kameraden nicht einig. Ihnen fehlt jegliche Erfahrung, und die Ratschläge, die sie von diversen Befürwortern des Aufstands erhalten, sind konträr. Die einen setzen auf Gewalt, wenn unumgänglich, die anderen auf grundsätzlich friedliche Demonstrationen, um auch die Unentschlossenen für ihr Ziel zu gewinnen. Aber einen richtigen Plan haben sie nicht und lassen sich von den Gegebenheiten treiben. Rea ist bereit, sich zu opfern, was ihre Freunde ablehnen, doch die Entscheidung kann letztendlich keiner für sie treffen.
Die Hauptfigur ist hin und her gerissen, erwägt mal das eine, mal das andere. Aber immer wieder ändert sich die Situation, und nie weiß Rea, ob ihre Unterstützer es ehrlich meinen oder ob man sie zu manipulieren versucht und als entbehrlich erachtet, sobald sie ihren Teil getan hat. Selbst die Worte ihrer Freunde hinterfragt sie, denn ihnen geht es nicht bloß um die Sache, sondern auch um Reas Wohl. Infolgedessen wechselt sie mehrmals ihre Einstellung zu der Problematik und revidiert ihre Pläne schneller, als die Kameraden folgen können.
Daraus ergibt sich eine spannende, wenig vorhersehbare Handlung. Mehr möchte man nicht verraten, da durch die Preisgabe zu vieler Details das Lesevergnügen abnehmen würde.
Die Autorin setzt letztendlich auf die Hoffnung und das Gute, auf friedliche Revolution und Vernunft, wodurch das menschenverachtende System umso brutaler und abstoßender erscheint, schon wegen der vielen unnötigen Gräuel. Das Ende bleibt offen, aber wenig verheißungsvoll.
Man könnte zum Beispiel denken an die „Hundert Blumen-Bewegung“ in China, die Missstände unter dem kommunistischen Regime und die Korruption der Kader aufzeigte und mit Gewalt beendet wurde (1957); an den Einmarsch der Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts zur Verhinderung einer Demokratisierung des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei während des „Prager Frühlings“ (1968); an die blutige Niederschlagung der chinesischen Reformer auf dem Tian'anmen-Platz (1989); an den „Arabischen Frühling“, der in diesen Ländern nicht die angestrebte Demokratisierung, sondern teilweise reaktionäre Kräfte an die Macht brachte, durch die sich für die Bevölkerung noch mehr verschlimmerte (2010); an (aktuell) die Frauen im Iran, die trotz ärgster Repressalien ihre Kopftücher ablegen und Selbstbestimmung fordern, und so weiter.
In einem Interview beim Deutschlandfunk Kultur (hier) verrät C. E. Bernard, dass sie mit ihrer Trilogie sowohl die Leser abenteuerlicher Fantasy als auch die Freunde des Liebesromans ansprechen wollte und durchaus Bezüge zur aktuellen Politik eingewoben hat. Hier bleibt sie jedoch vage und geht nicht näher auf ihre eigene Frage ein, „…wie viel Freiheit sind wir eigentlich bereit aufzugeben, um sicher zu sein“, die sich auch durch die Bücher zieht. Die Protagonisten entscheiden sich hoffnungsvoll für die Freiheit und gegen die angebliche Sicherheit und müssen die Konsequenzen ebenso auf sich nehmen wie ihre Vorbilder in der Realität (s. o.).
Was dies betrifft, kann man das Buch sehr wohl von der einen wie der anderen Seite angehen: Was interpretiert man als „Freiheit“ und was als „Sicherheit“? Man glaubt anhand der Bücher und des Interviews zu ahnen, was die Autorin befürwortet.
Das Publikum darf Parallelen zur Realität entdecken und interpretieren, wobei es feststellen wird, dass es einige Unterschiede zwischen den jeweiligen Problematiken gibt, dass das wahre Leben vielschichtiger ist und man nicht so leicht zwischen Gut und Schlecht, Falsch und Richtig unterscheiden kann wie in einem Roman, vor allem auch in Hinblick auf die Folgen. Interpretieren muss der Leser selbst…