Benedict Jacka: Das Labyrinth von London (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 02. Oktober 2018 17:08

Benedict Jacka
Das Labyrinth von London
Alex Verus 1
(Fated, 2012)
Übersetzung: Michelle Gyo
Titelbild: Max Meinzold
Karte: Andreas Hanckock
Blanvalet, 2018, Taschenbuch, 412 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-7341-6165-0 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Alex Verus ist ein Magier, dessen Kräfte auf der Fähigkeit beruhen, in die Zukunft sehen und die wahrscheinlichste Entwicklung erkennen zu können. In London betreibt er einen kleinen Laden, in dem er Dinge verhökert, die Esoteriker lieben, aber es gibt auch echte und vor allem gefährliche Artefakte. Zwar hält er sich bedeckt und vermeidet Konflikte, zumal seine Gabe bei Auseinandersetzungen mit Kollegen, die andere Disziplinen beherrschen, eher bescheiden ausfällt, dennoch ist er vielen ein Dorn im Auge, seit er seinen grausamen Mentor verließ, um seinen eigenen Weg zu finden.
Infolgedessen ist Alex wenig begeistert, als verschiedene Parteien an ihn herantreten, um sich seine Dienste zu sichern: Er soll die Geheimnisse eines mächtigen Artefakts ergründen, an dessen Schutzmechanismen bereits einige Magier gescheitert sind und den Versuch mit ihrem Leben bezahlt haben. Alex ist entweder erfolgreich oder entbehrlich. Man entführt und erpresst ihn, und so hat er keine Wahl, als sich zu fügen - und zu hoffen, dass er die richtigen Entscheidungen trifft, da nicht nur seine Zukunft auf dem Spiel steht.
„Fans von Ben Aaronovitch dürfen diese sehr intelligente, vielschichtige und actiongeladene Serie nicht verpassen!“ („Publishers Weekly“) - so der Klappentext, und das kommt auch hin, denn der erste von bislang acht „Alex Verus“-Romanen folgt einem beliebten Schema: In einem vertrauten London/Großbritannien existiert, unbemerkt von den ‚normalen‘ Menschen, eine Parallelwelt voller Magie, deren Repräsentanten unser Leben vor finsteren Mächten mehr oder minder behüten, ohne dass wir davon auch nur ahnen. Bloß sehr wenige sind empfindsam genug, um etwas davon zu bemerken und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Alex Verus, der Held der Reihe, welcher aus seiner Perspektive die Ereignisse schildert, ist ein Magier beziehungsweise Wahrsager, der meist seinen Gegnern nur deshalb entkommt, weil er sich die Wahrscheinlichkeiten zunutze macht oder ihm jemand in letzter Sekunde hilft. Obschon er keine Freunde haben will, hat er einzelne Vertraute, die an seiner Seite bleiben, selbst wenn es brenzlig wird.
Warum Alex sich introvertiert gibt und wie es zu den diversen Animositäten zwischen ihm und anderen Magiern kam, erfährt man nach und nach aus Rückblenden. Eigentlich stellen diese Enthüllungen keine großen Überraschungen dar, weil man sich Entsprechendes anhand der Andeutungen früh zusammen reimen konnte. Diese Einschübe erklären Manches, aber nicht alles, und sorgen für etwa ein Drittel an zusätzlichen Seiten neben der eigentlichen Handlung.
Der Fokus ruht auf der Entwicklung der Figur Alex Verus, wobei hauptsächlich seiner Vergangenheit nachgegangen und die notwendige Öffnung gegenüber Freunden vorangetrieben wird, sowie auf einer kurzweiligen Fantasy-Handlung, die sich um ein Artefakt dreht und regelmäßig von besagten Rückblenden gebremst wird.
Die Antagonisten sind sowohl die Schwarz- als auch die Weißmagier, welche das Objekt, von dem sie sich noch größere Macht erhoffen, in ihren Besitz bringen wollen, wobei sie vor nichts zurückschrecken. Dementsprechend kann keine der beiden Fraktionen als gut oder wenigstens besser als die andere definiert werden.
Tatsächlich vermag man das Verhalten des Protagonisten umso besser nachzuvollziehen, je mehr man über ihn weiß. Die Erfahrungen in seiner Vergangenheit haben ihn geprägt und ihn dazu gebracht, die Dinge zu hinterfragen, ob es nun seine oder die Motive anderer sind, ob eine Tat notwendig, richtig oder falsch ist. Den Weg, den er ursprünglich eingeschlagen hatte, lehnte er aufgrund neuer Einsichten ab und muss nun mit den Folgen seiner Wahl leben. Aber er kann neue Entscheidungen treffen, denn die entsprechenden Angebote liegen vor; doch alles hat seinen Preis.
Alex vermeidet Freundschaften, teils um die anderen zu schützen, teils um keine neuerlichen Verluste hinnehmen zu müssen. Doch ganz so wehrlos, wie er meint, sind die Kameraden nicht, und vor allem Luna, die hin und wieder für ihn magische Artefakte aufstöbert, ist immer wieder für einige Überraschungen gut. Langsam begreift er, dass die Freunde durchaus auf sich aufpassen und ihn sogar unterstützen können, dass sie gemeinsam mehr erreichen als jeder für sich allein.
Eine Romanze hängt in der Luft, doch sicher wird sich diese Angelegenheit aufgrund diverser Komplikationen noch etwas hinziehen, denn kaum etwas ist langweiliger als ein Pantoffelheld. Außerdem muss Alex noch einiges an Vergangenheitsbewältigung betreiben, bis er sich auf eine Beziehung einlassen kann. Nicht nur gibt es belastende Erinnerungen, er ist außerdem mit sich selbst nicht im Reinen.
Aus all dem ergibt sich ein Mix aus kurzweiliger Action, Reflexionen, einem Hauch Romantik und eher wenig Humor, weil viele Szenen und Probleme der Protagonisten zu ernst sind, um sie durch oberflächliche Witzeleien aufzuweichen.
Der Titel wendet sich in erster Linie an männliche Leser ab 15 Jahre, die sich mit Alex Verus, der etwa 25 Jahre alt sein dürfte, identifizieren möchten. Aber auch die Leserinnen werden angesprochen, da es wenigstens zwei starke Frauen-Charaktere gibt. Nicht alle Fragen werden erschöpfend beantwortet, daher wird man gespannt auf den nächsten Band warten, wenn man Freude an dieser Lektüre hatte.