Ray Bradbury: Fahrenheit 451 (Buch)

Ray Bradbury
Fahrenheit 451
(Fahrenheit 451 (1953) und The Fireman (1951))
Deutsche Übersetzung von Fritz Güttinger und Jürgen Langowski
Heyne, 2010, Paperback, 304 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-453-52703-4

Gunther Barnewald

Die vorliegende Neuausgabe enthält nicht nur Bradburys legendären Roman „Fahrenheit 451“, sondern auch noch seine ursprüngliche Novelle „The Fireman“, die im Februar 1951 im Magazin „Galaxy“ erschienen ist und sozusagen die Urversion vom abtrünnigen „Feuerwehrmann“ Montag darstellt.

Ray Bradbury ist einer der wenigen SF-Autoren, dem es gelungen ist, auch außerhalb des Genres Anerkennung zu finden. Sein ebenso poetischer wie einfacher und gut zu lesender Stil und seine wunderbar verschrobenen Ideen zeichnen den Autor aus, dessen Schaffenshöhepunkt zweifellos in den 50er Jahren lag. Auch „Fahrenheit 451“ stammt aus dieser Periode, ebenso wie „Die Mars-Chroniken“. Das Buch wurde aber erst durch die geniale Verfilmung von Francois Truffaut (der mit Oskar Werner als Feuerwehrmann Montag auch einen brillanten Hauptdarsteller einsetzte) so richtig berühmt, auch wenn Bradbury zum damaligen Zeitpunkt eher enttäuscht über diese Visualisierung schien (nach dem Desaster, welches durch die unsägliche Verfilmung seines Episodenromans „Die Mars-Chroniken“ angerichtet wurde, hat sich des Autors Unmut wohl verzogen und im Abstand der Jahre erwies sich Truffauts Version als nahezu unumstrittenes filmisches Meisterwerk). Auch wenn die Handlungsstruktur des Romans deutlich abweicht von Truffauts Version, so fällt es beim Lesen von Bradburys wunderbarem Buch schwer, nicht Oskar Werner, den grandiosen Schauspieler mit der tollen Stimme und dem unnachahmliche Tonfall vor sich zu sehen und zu hören, der als Rädchen eines Unterdrückungssystems sich dessen eines Tages bewusst wird und aufbegehrt.

Obwohl der Autor kein übermäßig politischer Schriftsteller ist, gelingt ihm im vorliegenden Werk doch eine überzeugende Anti-Utopie, die auf realen Gegebenheiten fußt. So werden die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten und deren Barbarei hier ebenso gespiegelt, wie die zunehmende Hörigkeit der Menschen der 50er Jahre gegenüber dem aufkommenden Medium Fernsehen und die zunehmende Unterdrückung freier Meinung in den USA. Hier ließ das Amt für Antiamerikanische Umtriebe unter Leitung des Senators Joseph McCarthy nicht nur Bücher aus Bibliotheken verbannen, sondern man machte auch Hexenjagd auf vermeintliche Staatsfeinde. Alle missliebigen Meinungen sollten verboten werden und man schreckte dabei auch nicht davor zurück, Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich zu ruinieren, indem man sie auf sogenannte „Schwarze Listen“ setzte.

In „Fahrenheit 451“ ist es sogar noch schlimmer, scheinen sich die Bürger hier sogar selbst zu kasteien. Es gibt eine Feuerwehr, die nicht mehr auszieht, um Brände zu löschen, da Häuser inzwischen unbrennbar sind. Stattdessen suchen und verbrennen die „Feuerwehrmänner“ Bücher, die gänzlich verboten sind, da Lesen ungleich macht und die Leser überheblich. Die allseits verdummende Glotze beherrscht das Leben der Menschen, so auch das von Frau Montag, der Ehefrau des Protagonisten. Doch Guy Montag, der in der ursprünglichen Novelle von 1951 noch Leonard mit Vornamen heißt, hat längst von den verbotenen Früchten genascht und Gefallen am Lesen der Bücher gefunden, die er eigentlich hätte einäschern sollen. Und so wird er zum Renegaten in einem System, in dem es von Mitläufern und Denunzianten wimmelt, in der man nicht mal der Ehefrau trauen kann, die intellektuell inzwischen so abgebaut ist, dass sie sich nicht einmal mehr erinnern kann, wo und wann sie ihren Ehemann kennengelernt hat.

Auch die Ursprungsnovelle enthält schon viele der ausgezeichneten Ideen, die auch den Roman und die Verfilmung auszeichnen, so die Flucht Montags zu den „Büchermenschen“, welche durch das Auswendiglernen einzelner Bücher eine „Verbrennung“ ad absurdum führen, oder Montags Aufbegehren, dem sein direkter Vorgesetzter in den Flammen zum Opfer fällt. Das überfrachtende Thema eines Krieges, den die unfreie Nation schließlich auch noch führt, hat Bradbury später zum Glück im Roman weggelassen. In der Novelle gibt es ihn noch.

Bradburys Roman ist heute so aktuell wie damals und wird es auch immer sein, so lang persönliche Freiheit, intellektuelles Wachstum und Toleranz für Menschen eine Rolle spielen. Zudem ist „Fahrenheit 451“ der größtmögliche Lobgesang auf Bücher und Literatur überhaupt. Das Werk schlechthin für alle bibliophilen Menschen, denen mit den hier beschriebenen „Büchermenschen“ praktisch ein Denkmal gesetzt wird, genauso wie in den beschrieben Märtyrern, vor allem der Frau, die sich selbst inmitten ihrer Büchersammlung verbrennt. Ein Buch für bibliophile Menschen, auch wenn der stark sentimentale Einschlag für heutige Leser manchmal etwas langweilig und antiquiert wirken mag.

Abgerundet wird diese formidable Ausgabe durch ein kundiges Nachwort des Herausgebers. Für alle Fans Bradburys ist aber natürlich die Veröffentlichung der Urnovelle ein Höhepunkt, den man sich nicht entgehen lassen sollte.