Neil Gaiman Bibliothek: Mordmysterien (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 04. Juli 2010 12:10
Neil Gaiman Bibliothek
Mordmysterien
(Neil Gaiman Murder Mysteries, 2002)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration und Zeichnungen von P. Craig Russell
Farbe von Lovern Kindzierski
Panini, 2010, Hardcover, 68 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-86607-933-5
Christel Scheja
Wenn es einen Künstler gibt, der die Visionen von Neil Gaiman nicht nur actionreich, sondern auch stimmungsvoll und lyrisch umsetzen kann, dann ist es P. Craig Russell. Genauso wie der Autor beschäftigt er sich mit Mythen und Legenden der Völker, hat bereits schon im Eigenverlag Umsetzungen von allen Balladen und Kurzgeschichten präsentiert, um den heutigen Lesern die Poesie alter Texte nahezubringen.
Nicht viel anders ist auch „Mordmysterien“. Allerdings bettet Gaiman die archaische Geschichte in ein modernes Umfeld. Ein Engländer, der von seltsamen Träumen von grausamen Taten geplagt wird, aber keine Erinnerung an diese hat, reist nach Amerika, um mit einem alten Mann zu sprechen, der seine Tage mittlerweile auf der Straße verbringt und sein Schicksal hinzunehmen scheint. Dieser enthüllt ihm einfach so, dass er einstmals ein Engel war – mit einer ganz besonderen Aufgabe.
In der Frühzeit der Schöpfung, als es noch keine Menschen gab sondern nur die Engel, die als geschlechtslose und treue Diener Gott folgten, verharrte der Engel Raguel in seiner Höhle, weil er nicht wusste, was von ihm verlangt und erwartet wurde. Bis zu dem Tag, an dem Luzifer bei ihm auftaucht und ihn bittet, mit ihm zu kommen, da etwas Schreckliches geschehen sei. Vor dem leblosen Körper eines anderen Engels namens Carasael erklärt er Raguel, dass dieser ausersehen sei, diese Bluttat aufzuklären und den Schuldigen zu finden, damit er bestraft werden könne.
Wie jeder brave Ermittler macht sich Raguel an die Arbeit und stößt dabei auf Dinge, die sein Weltbild erschüttern. Denn als Engel hat er bisher gelernt, dass Liebe ein wahrhaftiges und reines Gefühl ist, das jeden durchdringen sollte. Und das was er sieht erfüllt ihn nun mit Grauen, Entsetzen und Zweifeln.
Ruhig, poetisch und lyrisch erzählen Autor und Künstler die Geschichte des ersten Sündenfalls, der sich nicht auf der Erde, sondern im Himmel ereignete und aus einem ursprünglich reinen Gefühl heraus geschah.. Nach und nach enthüllen sie das Ausmaß des Verbrechens und stellen immer wieder ethische und philosophische Fragen um Liebe und Leidenschaft, Gehorsam und Gnade, die nicht nur den Engel aufwühlen, sondern auch den Leser. Sie zeigen einfache Wahrheiten, die jeder verstehen kann, nämlich die zwei Seiten von Gefühlen, die einerseits heilend und erfüllend sein können, aber ein Wesen auch zu sehr zerstörerischen Taten bringen kann. Interessant ist auch die Rolle Luzifers, der hier zwar noch zu den Guten gehört, aber auch schon die Ader zum Intriganten hat und Ereignisse anstößt, die zu einer Lawine werden können.
Die Geschichte enthüllt sehr viel zwischen den Zeilen, lädt immer wieder auch zum Nachdenken ein, weil das Ende offen bleibt und sich jeder selbst aussuchen kann, was er aus dem Ganzen für sich mitnimmt – von bloßer Unterhaltung mit einem leichten homoerotischen Touch bis hin zu einem tiefgründigen philosophischen Werk in grafischer Form. Das alles wird mit zarten, detailreichen Zeichnungen und einer in zwar schlichten aber dennoch liebevollen Aufmachung als Hardcover präsentiert.
„Mordmysterien“ dürfte zwar nicht jeden ansprechen, da die Action eher verhalten ist und es sehr viel zu lesen gibt, aber Comic-Leser mit einem gewissen Anspruch, die auch schon „The Sandman“ liebten, werden hellauf begeistert sein.