Wonder Woman 4: Das Herz der Amazone (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 19. Mai 2018 11:46
Wonder Woman 4
Das Herz der Amazone
(Wonder Woman 26-30, 2017)
Autorin: Shea Fontana
Zeichner: Mirka Andolfo, David Messina, Inaki Miranda
Übersetzung: Ralph Kruhm
Panini, 2018, Paperback, 112 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-7416-0692-2
Rezension von Irene Salzmann
Seit Wonder Woman die Paradiesinsel verlassen hat und unter den Menschen weilt, wird sie ständig von Personen ins Visier genommen, welche die Amazone für ihre eigenen Zwecke missbrauchen wollen. Die einen attackieren sie recht plump, aber andere agieren geschickter, indem sie Freundschaft heucheln oder ein nobles Ziel vorgeben. Letztendlich jagen alle Wonder Woman, und ihre wahren Freunde, obschon sie sich zur Wehr setzen können, sind oft die Leidtragenden.
Beispielsweise gibt es eine schwerkranke Ärztin, die glaubt, durch Wonder Womans DNA nicht nur geheilt werden zu können, sondern selbst zur Superheldin zu mutieren. Wieder andere wollen lediglich das Kopfgeld kassieren, das jemand ausgesetzt hat, um ihrer habhaft zu werden. Sie folgt dieser Spur und erfährt, dass man tatsächlich mit ihrer Hilfe viele Krankheiten ausrotten könnte - und beginnt zu grübeln. Ist das vielleicht die Aufgabe, die ihr die Götter gaben?
Wonder Womans Freunde sind nicht so leichtgläubig und gehen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls der Angelegenheit auf den Grund. Dabei stellen sie alle fest, dass sich der Kreis schließt und die ahnungslose Amazone in großer Gefahr schwebt. Aber was können sie schon tun? Wonder Woman befindet sich in einem abgeriegelten Gebäude, und einige Wachen haben Superkräfte…
Natürlich wird auch in diesem Handlungsbogen gekämpft, aber die Action-Szenen sind nicht das Hauptanliegen der Autorin, sondern lediglich das Schmankerl, das man Lesern serviert, die dynamische, lebhafte Bilder sehen und nicht bloß nachdenkliche Dialoge verfolgen wollen. Vielmehr geht es Shea Fontana um Wonder Womans Motive, ihr Denken, ihr Handeln und ihre Beziehung zu anderen beziehungsweise umgekehrt.
So ist die Titelheldin seit ihrer Ankunft in der Menschenwelt bestrebt, diese Gesellschaft und ihre Konflikte zu verstehen, allen zu helfen und das Richtige zu tun, ohne dabei ihre eigenen humanen Überzeugungen aus den Augen zu verlieren - aber sie weiß immer noch nicht, was ihre wirkliche Aufgabe sein soll, denn gewiss wurde sie nicht bloß von den Göttern ausgesandt, um stichprobenartig hier und da ein Leben zu retten, während gleichzeitig an unzähligen anderen Orten Menschen sterben, weil für sie gerade kein Held zur Verfügung steht.
Als man sie bittet, ihre DNA zur Verfügung zu stellen, damit daraus Heilmittel hergestellt werden können, ist sie geneigt, darüber nachzudenken. Wievielen könnte auf diese Weise geholfen werden! Aber sind die Pharmakonzerne wirklich so selbstlos und offerieren die Arzneien jedem Bedürftigen? Die Realität sieht anders aus, wie jeder weiß. Gesundheit kostet selbst in reichen Ländern viel Geld, und in den armen ist sie für die Mehrheit nahezu unerschwinglich.
Aber in ihrem Fall muss Wonder Woman weiter denken. Man könnte die Kenntnisse auch missbrauchen, wie ihr bereits verdeutlicht wurde. Es wäre ein Leichtes, Armeen von Superhelden zu erschaffen, die zwar über gewisse Kräfte verfügen würden, nicht jedoch über die Moral, sie sinnvoll und selbstlos einzusetzen. Es gäbe ein anderes Wettrüsten, aus dem am Ende nur Verlierer hervorgehen.
Parallel dazu sorgt sich Wonder Woman um ihre Freunde, die ihretwegen in Gefahr geraten, in die Hände von Geiselnehmern fallen und verletzt werden. Wäre es nicht besser, auf Distanz zu gehen, um sie so aus der Schusslinie zu halten? Das sehen die Betroffenen völlig anders, denn zum einen wissen sie sich zu verteidigen, zum anderen wollen sie Wonder Woman nicht im Stich lassen, die für sie trotz ihrer Gaben ein normaler Mensch ist, der hin und wieder Hilfe oder auch nur eine Schulter zum Anlehnen benötigt.
Tatsächlich ist der Nimbus von früher, der jeden Helden zum unfehlbaren Überwesen machte, das immer eine Lösung für die kleinen und großen Probleme fand, schon lang fort und ersetzt worden durch nachvollziehbare Gewissenskonflikte und Taten, die durchaus selbstsüchtig oder ein Fehler sein können. Praktisch bewegen sich die Superhelden von heute mit all ihren Schwächen, Sorgen, Wünschen und Träumen auf Augenhöhe mit den Personen ihres Umfelds, denn in ihrem Innern sind sie nicht anders.
Zeichnerisch umgesetzt wurde die Thematik von verschiedenen Künstlern, deren Stil einerseits realistisch-idealistisch ausfällt, zugleich aber auch einen deutlichen Comic-Touch aufweist. Man sieht schon die Unterschiede, aber sie sind nicht so gravierend, dass man sich daran stören würde.
Sehr schön ist, dass mit diesem Band ein relativ in sich abgeschlossenes Abenteuer vorliegt, für das man keine nennenswerten Vorkenntnisse benötigt. Man begleitet eine sehr menschlich wirkende Wonder Woman, die diesmal lernt, dass ihre Freunde nicht so schwach sind, wie sie glaubt, und dass sie sich auf diese jederzeit verlassen kann, wenn sie selber zweifelt oder in Not ist.