Peter Dempf: Das Haus der roten Dämonen (Buch)

Peter Dempf
Das Haus der roten Dämonen
cbj, 2010, Hardcover, 460 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-570-13753- 6

Carsten Kuhr

Die Kaiserstadt Prag an der Moldau zur Zeit von Rudolf dem Zweiten ist Schauplatz des neuesten Werkes aus der Versschmiede Peter Dempfs.

Hier wächst in einem Waisenhaus für Jungs auch der aufgeweckte Jan auf. Dass seine Kameraden ihn aufgrund seines auf der Schulter befindlichen Muttermals ablehnen, und dass seine Mutter als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, macht sein Los nicht eben leichter.Als eines Tages ein reicher Herr, der Maler Arcimboldo, begleitet von seinem Adlatus Contrario ins Waisenhaus kommt, um sich einen neuen Lehrling zu suchen, rechnet sich Jan keine großen Chance aus, der Tristesse und dem Hunger zu entfliehen. Trotz aller Zweifel fällt die Wahl des angesehenen Hofmalers auf ihn, ein Silberstreif scheint sich am Horizont abzuzeichnen.

Zusammen mit Contrario, der sich als Bader ein Zubrot verdingt, macht er sich gleich am ersten Tag auf Visite bei den Kranken und Sterbenden. Dabei bemerkt er verwundert, dass der Adlatus Sterbenden immer wieder Blut abzapft unddies in Phiolen abfüllt. Was nur macht der hinkende Adlatus mit dem Lebenssaft der Todgeweihten?

In der Folgezeit erweist sich sein neues Heim als ein gar merkwürdiger Ort. Zimmer verschwinden und tauchen wieder auf, Türen öffnen sich nur, wenn man darum bittet und das anscheinend mit eigenen Willen ausgestattete Haus auch bereit ist, die Öffnung freizugeben, und Meister wie Adlatus scheinen die magische Kunst zu beherrschen, auf Bilder gemalte Wesen lebendig werden zu lassen. Wie dies alles mit Jan und dessen Freundin, der Brauereitochter Julia, zusammenhängt, wie der Rabbi Judah Löw und sein Golem aus der Josefstadt hineinpasst, und wie die Bedrohung von lebendiggewordenen Chimären besiegt werden können, das erfahren Sie, wenn sie zum Buch greifen.

Peter Dempf ist uns in erster Linie als Autor historischer Werke ein Begriff. Dass er von jeher sich auch gerne phantastisch betätigte, bewiesen bereits sein Beitrag zu den Geschichten aus Phantasien („Die Herrin der Wörter“, Knaur). Nun als legt er einen Jugendbuch vor, das sich auf ganz eigene Weise mit Prag, den Juden der Kaiserstadt, ihrem Golem und Rudolfs Besessenheit für alles Alchemistische und Zauberhafte beschäftigt.

Auf sehr einfühlsame, gleichzeitig aber mit vielen gut recherchierten Details angereicherte Art und Weise, wendet sich Dempf einem Handlungsort zu, der ein realistisches Bild einer Metropole im 16. Jahrhundert bietet. Armut, Krankheiten, der unversöhnliche Hass der Christen auf die verfemten Juden, dazu viel Dreck, Unrat und Gewalt prägen das Leben der einfachen Leute. Abgehoben davon residiert der Adel abgeschottet in seinen Palästen, erfreut sich an Kunst und Spielen. In diese sehr wirklichkeitsnahe Kulisse hat der Autor eine Handlung eingebaut, die uns im wahrsten Sinne des Wortes phantastische Lesestunden beschert. Dempf greift hier altbekannte Versatzstücke auf. Ich erwähnte schon den Golem von Prag, aber auch die Alchemisten, die aus Blei Gold machen wollten, die Zauberer mit ihren Vorführungen, die in aller Regel auf Taschenspielertricks zurückzuführen sind, oder sprechende Tiere und Tiermenschen. Und, nicht zuletzt, natürlich die Gabe des Malers und seines Adlatus, unbelebte Zeichnungen lebendig werden zu lassen.

Mit jeder Menge Geheimnisse, Wendungen und Dramatik angereichert zieht er uns hinein in die Geschichte eines mutigen Kampfes David gegen Goliath, Jan gegen den Leu und dessen Meister, der so manche unangenehme Überraschung für unseren jungen Helden bereithält. Dass dieser Unterstützung (moralische ebenso wie tatkräftige) aus unterschiedlichsten Richtungen erhält, erleichtert ihm das Überleben, dennoch ist es an ihm, den Rätseln auf den Grund zu gehen und sich schlussendlich der Bedrohung zu stellen.

Das wirkt wie eine gelungene Mischung aus Märchen und Fantasy-Roman mit einem Schuss Historien-Schmöker, ist stilistisch ansprechend und inhaltlich packend ausgeführt, und bietet nicht nur jugendlichen Leseratten spannende Schmökerstunden.