Joe R. Lansdale: Gekreuzigte Träume (Buch)

Joe R. Lansdale
Gekreuzigte Träume
(The Best of Joe R. Lansdale)
Übersetzung: Klaus Schmitz
Titelbild: Arndt Drechsler
Festa, 2016, Hardcover, 544 Seiten, 39,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Joe R. Lansdale hat, auch wenn er bei uns wie in seiner Heimat eigentlich überwiegend in Kleinverlagen verlegt wird, einen mehr als guten Namen. Seine Thriller, seine Horror- und Western-Romane sind Kult, seine Krimis werden von Experten über den grünen Klee gelobt. Wenn dann ein für die Qualität seiner Bücher, sowohl handwerklicher wie inhaltlicher Art, bekannter Verlag wie Festa eine limitierte und signierte Sammlung mit dem „Best Of“ des Meisters ankündigt, dann darf man als Fan und Leser gespannt sein.

 

Fangen wir mit dem Äußeren an. Arndt Drechsler, zurecht einer der profiliertesten und meist ausgezeichneten Illustratoren unseres Landes, hat passend zum Inhalt ein wunderbar stimmiges Cover geschaffen, das sich, wie bei Festa üblich, in Lederoptik anbietet. Das Buch selbst ist in geprägtes Leinen gebunden, hat natürlich ein Lesebändchen und Fadenheftung.

Soweit zum Äußeren. Noch anzumerken bleibt, dass auch die Seite, auf der sowohl Lansdale und Drechsler ihre Signaturen hinterlassen haben, ebenfalls mit einer phantastischen Schwarzweiß-Zeichnung versehen wurde.

Inhaltlich gibt das Buch die in den USA im Tachyon Verlag erschiene Sammlung wider, wobei man bei Festa „The Big Blow“ (dt. „Sturmwarnung“), die bereits als Einzelveröffentlichung bei Shayol erschienen ist, durch „Nadelstiche, dicht an dicht,im Rücken eines Toten“ ersetzt hat.

Macht man sich an die Lektüre, dann wartet ein ebenso bunter wie bestechender Strauß an Geschichten auf den Leser. Die allesamt von dem mir bislang unbekannten Klaus Schmitz vortrefflich ins Deutsche übertragenen Erzählungen wissen, jede auf ihre Art, zu überzeugen. Insgesamt haben die Herausgeber sechzehn Preziosen Lansdale’scher Erzählkunst ausgewählt, um dem Leser ein umfassendes Bild von seinem Schaffensumfang zu geben. Da sind Horror-Storys ebenso vertreten wie Kriminal-Plots, da wird über den American, besser Texan Way of Life fabuliert und dieser oftmals beißend kritisiert, da wird gefightet und gelitten, gestorben und…


Zum Auftakt widmet sich Lansdale fast vergessenen Kinohelden unserer Kindheit; Godzilla, King Kong und Gorgo sind in Rente und hassen die Ruhe. Was war das doch für eine Zeit, als sie noch Städte und deren Bewohner plattmachen durften - doch dann kommt ein unwiderstehliches Angebot der Regierung…

Es folgt eine der besten, wenn nicht die beste Novelle des Bandes; Elvis und Präsident Kennedy, oder zumindest alte Knacker die sich für diese halten, vegetieren im Pflegeheim vor sich hin. Als eine altägyptische Mumie das Heim als Nahrungsreservoir für sich entdeckt, machen sie sich mit Rollator und Bettpfanne auf, der Mumie zu zeigen, was alte Ärsche mit und ohne Windel noch zu vollbringen vermögen… Bitterböse und überaus treffend nimmt Lansdale hier zu der Tatsache Stellung, dass die Gesellschaft ihre Alten gnadenlos abschiebt, die Weisheit des Alters ignoriert und die Generation nach ihnen ihre Erzeuger ausblendet. Mit einem selten gelesenen Sarkasmus werden die Zustände in den Heimen - egal ob ins USA oder bei uns - portraitiert, und dies auf eine höchst vergnüglich zu lesende Art und Weise.

Weiter geht es mit einer Geschichte aus der Zeit der großen Rezession, als Rassenunruhen, die Diskriminierung von Farbigen insbesondere in Texas, auch durch den Klan, noch gang und gäbe war. Ohne übernatürliches Element macht die lange Geschichte betroffen, zieht uns aber gleichzeitig in ihren Bann.

Ein gar merkwürdiger Feuerwehrhund und dessen Schicksal bestimmt die nachfolgende, kurze Story.

Es folgt eine Past-Doomsday-Geschichte, die uns die Welt nach dem großen Knall zeigt und einmal mehr durch die geschilderten Schicksale den Leser betroffen macht. Hier liegt denn auch die besondere Stärke des Autors. Er kreiert Figuren, die überaus real wirken, die beileibe keine Helden sind, sich aber immer glaubwürdig verhalten, wenn sie über sich hinauswachsen.

Wie bei einem Aufnahmeritus für junge Männer bei der Entenjagd im ländlichen Texas, bei denen erst als zweites Wild die Enten vor die Flinten kommen.

Eine emanzipierte Frau steht in dem nächsten Beitrag im Kampf gegen einen Serienmörder ihre Frau - sehr zum Leidwesen des Killers.

Wie meistens stellt Lansdale gesellschaftliche Loser ins Zentrum der nächsten Story. Ein Arbeitsloser, seine Tochter und eine verkrüppelte Ladeninhaberin sind einem Serienkiller auf der Spur. Hier wird einmal mehr nicht nur der American Way of Life portraitiert, auch deutliche Kritik an den sozialen Umständen gerade des ärmeren Teils der Bevölkerung ist deutlich erkennbar.

Danach geht es wieder in die Ära nach dem Ersten Weltkrieg zurück, als die Verarmung weiter Gesellschaftsschichten die Menschen dazu anhielt, Geldverdienstmöglichkeiten allerorts zu suchen. Ein Muli-Rennen soll einem verarmten Bauern endlich die finanzielle Entlastung bringen - da gibt es vorher nur noch ein Problem zu lösen, da das als Renntier vorgesehene Muli gerade vom Blitz getroffen und geröstet wurde.

Zombies sind nicht erst seit den „The Walking Dead“ in. Auch Joe Lansdale hat sich des Topics angenommen, aber, wie zu erwarten, auf ganz eigene Art und Weise. Ein Kopfgeldjäger, ein Flüchtiger und ein Priester, der im aufgegebenen Disney World seine Version der Kirche aufgebaut und die Zombies als Kirchengemeinde aktiviert hat, treffen aufeinander - eine Nonne spielt auch noch eine nicht unwichtige Rolle.

Der Tod kommt zu allen, so viel ist sicher. Doch auch der Tod hat ein sentimentales Herz, wenn zwei sich seit Jahrzehnten Liebende zusammen gehen wollen.

Alltäglicher Rassismus ist auch und gerade in Gottes gelobtem Land weit verbreitet. Dies beleuchtet auch die kurze Geschichte um einen Reisenden und einen kleinen schwarzen Jungen, der Cowboy spielt.

Das erste Mal war und ist für jeden Jungen etwas Besonderes - besonders, wenn wie bei den drei Jugendlichen in der nächsten Geschichte der Mund einmal wieder viel größer war, als die Realität. Wenn dann, statt der jungen, hübschen Prostituierten ein selbstgebrannter Moonshine, ein Müllwagen und ein Alligator mit von der Partie sind, dann kommt es schon einmal zu Kollateralschäden.

Fast wie auf einem merkwürdigen LSD-Trip liest sich die nächste Geschichte. Mitten in der Wüste Arizonas werden die Geister der Urzeit wach - das Leben, wie es einst dem Meer entsprang, kommt zurück, die Fische schwimmen, die Menschen staunen und sehnen sich nach der Rückkehr zu ihrem Ursprung.

In der vorletzten Geschichte zollt der Autor einer ureigenen amerikanischen Einrichtung seine Referenz - das Drive-in, das Kino unter freiem Himmel und im möglichst großen US-Schlitten, so dass man auf der Rückbank auch genügend Platz für sonstige Aktivitäten hat, steht im Mittelpunkt der Erzählung, die später zur Roman-Trilogie ausgebaut wurde.

Den Abschluss bildet dann noch einmal ein Panoptikum von Losern und fiesen Verbrechern, die ein Hundeleben weit mehr wertschätzen, als die Existenz zweier Highschool-Tunichtgute.


Wie man sieht, ist für jeden Geschmack etwas dabei. Da werden die Fans begeistert Applaus klatschen und Neuleser einen der faszinierendsten Autoren unserer Zeit kennenlernen.