Frank Festa & Edward Lee (Hrsg.): Extreme Horror - Die Anthologie (Buch)

Frank Festa & Edward Lee (Hrsg.)
Extreme Horror - Die Anthologie
Titelillustration von Stefan Gesell
Diverse Übersetzer
Festa, 2016, Paperback, Taschenbuch, 352 Seiten, EUR 12,80 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Warum lesen Sie Extreme Horror? Sind Sie vielleicht pervers, ein potentieller Vergewaltiger, ein Serienkiller mit dem Drang Anderen wehzutun, sie zu quälen, leiden zu lassen und grausam zu verstümmeln? Man könne auch fragen, sind Sie ein böser Mensch, der am Besten in eine geschlossene Anstalt weggesperrt gehört, eine tickende Zeitbombe? Genau diesen Ruf haben die Leser, die in ihrer Freizeit zu Extrem-Horror-Titeln greifen. Inge Festa, die Ehefrau des Verlagsinhabers und Mit-Herausgebers dieser Anthologie, hat in ihrem Nachwort nicht nur ihre persönliche Sicht der Dinge, die Gründe, warum sie zu entsprechenden Titeln greift dargelegt, sie hat auch aus dem Nähkästchen geplaudert

So werden die entsprechenden Titel zu mehr als der Hälfte der verkauften Exemplare von Frauen bestellt und gelesen. Dies verwundert, da doch gerade jene Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts in den Texten zumeist eine eher undankbare Rolle zugewiesen bekommen. Sie sind diejenigen, die gefangen, gefoltert und missbraucht werden - sexuell wie psychisch missbraucht; und damit diejenigen, die am meisten leiden.

Schaut man sich die dem Buch beigegebenen Umfragen aus dem Netz an, so taucht bei den Lesern als Begründung für die Lektüre immer wieder auf, dass sie an ihre Grenzen gehen wollen. Angesichts der tagtäglichen Überflutung mit Schreckensnachrichten im Fernsehen und Internet, ist der alltägliche und reale Horror mittlerweile derartig präsent, dass „normale“ Horror-Romane kaum mehr zu erschrecken vermögen. Was kann grausamer sein, als ein neuer Selbstmordanschlag von Terroristen, Amokläufe oder Hinrichtungen? Um wirklich noch geschockt zu werden, um ein Buch atemholend zuklappen zu müssen - nur um dann doch weiterzulesen -, dazu braucht es härteren Tobak.

Frank Festa, nicht nur Verlagsinhaber sondern auch Mit-Herausgeber der Anthologie, bringt es in seinem Vorwort auf den Punkt: er selbst hat zu Beginn des Verlages Vampir-Romane publiziert, doch irgendwann einmal konnten ihn diese, wie auch andere Horror-Titel, nicht mehr wirklich fesseln. Erst als er auf die Extrem-Horror-Titel stieß, war das altvertraute aber verloren gegangene Kribbeln wieder da. Seitdem publiziert er als Privatdruck ohne ISBN, um den Angriffen und Indizierungen des etablierten Buchhandels hier zu entgehen, die Extreme-Reihe.

Nun hat er zusammen mit seinem entsprechenden Kult-Autor Edward Lee eine Anthologie zusammengestellt, die sich international wahrlich nicht verstecken muss! Und schon der Blick aufs Inhaltsverzeichnis beweist, dass die beiden Herausgeber die besten Autoren des Subgenres verpflichten konnten. Jeffrey Thomas, Jack Ketchum, Shane McKenzie, Graham Masterton, Tim Miller oder Wrath James White kennen wir bereits aus ihren Werken, noch unbekannte Verfasser gesellen sich hinzu.


Inhaltlich bieten sich die Texte ganz unterschiedlich an. Da geht es natürlich um Gewalt psychischer aber auch handfester Art, werden Menschen gefangengehalten, missbraucht, gefoltert und erniedrigt - der jeweilige Ansatz aber ist immer ganz eigen. Gespenstergeschichten („Staub“ von Jeffrey Thomas) gesellen sich zu tief gestörten Selbstmördern (Graham Mastertons „Wenn die Luft fehlt“), dann wieder treffen wir auf perverse Rednecks (Edward Lee: „Jede Nacht“) die ihre Gefangenen mit plakativ dargestelltem Brutalo-Sex malträtieren (Wer hätte ernsthaft von Lee etwas Anderes erwartet?).


Das weist inhaltlich eine riesige Bandbreite auf, besticht aber jedes Mal durch eine ganz eigene Stimme und einem innewohnenden Grauen, das einem kalt den Rücken herunterläuft.

Für denjenigen, der einmal ins Subgenre hineinschnuppern will, bietet diese Original-Anthologie beste Möglichkeiten auszutesten, ob die perverse, böse, widerliche ja grausame Spielart des Horrors etwas für einen ist. Für Fans der Gattung dürften die Geschichten wie der Band zur Pflichtlektüre gehören.