Marvel Super Heroes: Secret Wars (Comic)

Jim Shooter
Marvel Super Heroes: Secret Wars
(Marvel Super Heroes Secret Wars 1-12, 1984/1985)
Aus dem Amerikanischen von Michael Strittmatter
Titelillustration von Mike Zeck
Zeichnungen von Mike Zeck, Bob Layton, John Beatty u.a.
Panini, 2015, Paperback, 340 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-95798-583-5 (auch als Hardcover erhältlich, 39,00 EUR)

Von Irene Salzmann

Einige Mitglieder der X-Men, der Avengers und der Fantastic Four, außerdem Spider-Man, Hulk und Magneto finden sich plötzlich an Bord eines fremden Raumschiffes wieder, das sie und einen zweiten Raumer voller Schurken zu einer Art Patchwork-Planet bringt, der eigens für sie vom mysteriöse Beyonder geschaffen wurde. Er fordert die beiden Gruppen dazu auf, einander zu bekämpfen. Dem Sieger wolle er jeglichen Wunsch gewähren.

Während es den Helden in erster Linie darum geht, am Leben zu bleiben und jene Wesen zu beschützen, die auf ähnliche Weise auf diese Welt gebracht worden waren, wollen sich die Schurken ihre Belohnung um jeden Preis verdienen. Dr. Doom, der nach den ersten Streitigkeiten die Führung seiner Gruppe übernommen hat, denkt als Einziger weiter und folgt Galactus, der die direkte Konfrontation mit dem Beyonder sucht. Beide werden am Rand von dessen Sphäre abgewehrt, doch Dr. Doom kann einige Daten sammeln.

Derweil eskalieren die Probleme, welche die verschiedenen Helden-Teams miteinander haben. Erst verlässt Magneto seine Kameraden, weniger später folgen ihm die X-Men, um mit ihm eine Allianz zu bilden, da sie des permanenten Misstrauens der Nicht-Mutanten überdrüssig sind. Letztendlich müssen sie alle ihre Kräfte wieder vereinen, denn Galactus versucht, den Planeten zu verschlingen, um die Energie zu sammeln, die er braucht, um erneut den Beyonder herauszufordern.

Wieder ergreift Dr. Doom die Initiative, und ihm gelingt das Verblüffende…


„Marvel Super Heroes: Secret Wars” von 1984/1985 gilt als die ‚Urmutter’ der Crossover, die mehr sind als ein kurzes, konsequenzenloses Team-up, wie es das bereits des Öfteren gegeben hat, zum Beispiel wenn die X-Men mit Spider-Man oder Spider-Man und die Fackel einen gemeinsamen Feind bekämpften. Was diesmal anders ist, das ist zum einen der Umstand, dass es sich um eine 12teilige, abgeschlossene Mini-Serie handelt, und zum anderen geschehen Dinge, die sich auf die Serien der beteiligten Helden drastisch auswirken.

So erhält Spider-Man auf dem Planeten des Beyonders das legendäre schwarze Kostüm, das sich später als Symbiont entpuppt, der seinem Herrn nicht gehorchen will. Das Ding, das sich über einiges klarwerden möchte, bleibt am Ende des Abenteuers für eine Weile auf der fremden Welt, und She-Hulk ersetzt ihn für längere Zeit bei den Fantastic Four“ Die Avengers erhalten ein weiteres Mitglied, denn die neue Spider-Woman wird eingeführt. Colossus von den X-Men verliebt sich in die Heilerin Zsaji, die der Beyonder zusammen mit ihrem Volk als eine Art Statisten auf seinen Planeten geholt hat, und wird sich darum von Shadowcat trennen (dies geschah auf Befehl ‚von oben‘, denn die prüden Amerikaner mochten das harmlose Flirten einer Dreizehn- oder Vierzehnjährigen mit einem jungen Erwachsenen nicht tolerieren).

Der Story-Aufbau war für die damalige Zeit spannend, und die Charaktere erfüllten ihre Rollen. Aus heutiger Sicht werden die Geschehnisse fast schon zu schnell und auch oberflächlich abgehandelt. Die Protagonisten wirken auf bestimmte Eigenschaften reduziert und handeln klischeehaft, beispielsweise würde Wolverine am liebsten alles aufschlitzen, Storm und Cyclops rivalisieren um die Position des Anführers der X-Men und werden von Professor Xavier auf ihre Plätze verwiesen, Magneto und Dr. Doom bedienen sich der hochtrabenden ‚Schurkensprache‘, Captain America verkörpert den edlen, tapferen Über-Boss und Mr. Fantastic das super brain. Es gibt Ansätze von inneren Monologen und persönlichen Problemen, doch auf sie wird nicht näher eingegangen.

Die Dialoge sind sehr einfach und erinnern teilweise an die Übersetzungen in den Condor-Taschenbüchern, deren kleines Format bedingte, dass die Texte nicht 1:1 übernommen werden konnten, sondern der Platz für die Buchstaben abgezählt und improvisiert werden musste (und mitunter wurden sogar einige Seiten heraus gekürzt). Also, von dem, was inzwischen Standard ist, sind die 30 Jahre alten Geschichten weit entfernt.

Das gilt natürlich auch für die dynamischen, realistisch-idealistischen Zeichnungen. Die Penciler und Tuscher brauchen sich nicht zu verstecken, doch die Kolorierung ist flächig und nuancenlos - damals gab es noch keine Zeichenprogramme, die man dafür nutzen konnte (die Kolorierung am PC wurde in den 90er Jahren von Image vorangetrieben). Mike Zeck und Bob Layton liefern ein sehr homogenes Werk ab; es gibt keinerlei stilistische Brüche.

Dennoch macht die Story Spaß, man betrachtet auch gern die Illustrationen - muss sich aber stets vor Augen halten, wann „Marvel Super: Heroes Secret Wars“ geschrieben und gezeichnet wurde, und infolgedessen ist der unmittelbare Vergleich mit zeitgenössischen Heften eigentlich unfair.

1985/1986, ein Jahr nach dieser Mini-Serie, erschien eine 9teilige Fortsetzung, „Secret Wars II“. Der Beyonder, der bisher nicht als Person in Erscheinung getreten war, erhält hier ein Gesicht. Er besucht die Erde, um seine Neugierde zu befriedigen, denn die Menschen faszinieren ihn, doch stellt er mit seiner Allmacht und seinem kindlichen Wesen eine so große Gefahr dar, dass die Helden zu dem Schluss kommen, dass er die Erde verlassen muss.

Im Jahr 2015 wurde erneut eine äußerst komplexe „Secret Wars“-Storyline in zehn Teilen publiziert, die jedoch wenig mit ihren Vorgängern gemein hat. Hier kollidieren Erde 616 und Erde 1610 („Ultimate Marvel“), beide Welten werden zerstört, aus den Splittern entsteht eine neue Erde mit Helden und Schurken aus beiden Universen - und eine „All-New, All-Different Marvel“-Reihe. Bei Panini soll diese Mini-Serie 2016 erscheinen, und um die Leser auf den Event einzustimmen, erscheinen erst einmal die früheren „Secret Wars“-Episoden.

„Secret Wars“ und „Secret Wars II“ wurde von Jim Shooter geschrieben, der lange Zeit Chef-Herausgeber bei Marvel war, mit Valiant ein eigenes Comic-Label gründete und zeitweilig bei verschiedenen Serien als Zeichner einsprang. Zu seinen Werken zählen unter anderem „Legion of Super-Heroes“, „Superboy“, „The Avengers“, „The Spectacular Spider-Man“.
Penciler Mike Zeck arbeitete an „Batman: Legends of the Dark Knight“, „Captain America“, „Master of Kung-Fu“, “The Punisher” etc. und sein Kollege Bob Layton an „Batman Family“, „Hercules“, „Iron Man“, „X-Factor“ und so weiter. Für „Secret Wars II” wurde Al Milgrom als Zeichner gewonnen. Das aktuelle „Secret Wars“-Abenteuer schrieb Jonathan Hickmann, und Esad Ribić lieferte die Illustrationen.

„Marvel Super Heroes: Secret Wars“ ist eine Reise in die Vergangenheit. Kann man sich darauf einlassen, dass damals der Aufbau der Geschichten und die Charakterisierung der Figuren ganz anders waren, wird man spannend unterhalten. Die Kolorierung ist natürlich schlichter, aber die Zeichnungen können überzeugen. Wie aufwändig sie angelegt sind, sieht man am besten in der kleinen Galerie, die mit einigen Pencils aufwartet.

Die Serie liegt komplett vor, und für knapp 25,00 EUR bekommt man dicke 340 Seiten zu lesen - ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.