Andreas Zwengel: Böser Clown (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 30. Oktober 2015 09:17
Andreas Zwengel
Böser Clown
Titelillustration von Karsten Weyershausen
Saphir im Stahl, 2015, Hardcover, 500 Seiten, 15,95 EUR, ISBN 978-3-943948-55-4
Von Carsten Kuhr
Was macht man, wenn man als Darsteller eines Fieslings in der letzte Folge einer leidlich erfolgreichen Vorabendserie von einem Hoteldach stürzt und sich dabei in der Realität schwer verletzt? Richtig, man hängt den ungeliebten Schauspielerberuf an den Nagel und sucht sich, weitab jeglicher Medienaufmerksamkeit, einen neuen Job.
Arlo Panofsky ist im Dienstleistungsbereich, genauer gesagt, als Insektenvernichter unterwegs. Einst gehörte ihm ein Anteil an der eher mäßig florierenden Produktionsfirma, die die „Zander Squad“-Serie erdachte und fürs Fernsehen umsetzte, jetzt wohnt er in einem heruntergekommenen Haus weitab jeglicher Ansiedlung und hat zu seinen alten Kollegen keinen Kontakt mehr. Dass jemand einen Relaunch der Serie plant, ahnt er nicht, es würde ihn aber auch nicht sonderlich interessieren. Aus dem Verkauf ihrer Firma hat er damals gutes Geld bekommen, jetzt muss er sehen, wie er über die Runden kommt.
Dass einer seiner Kompagnons kürzlich bei einem Autounfall ums Leben kam, dass dessen Vater etwas von Mord daherschwafelt, ist ihm reichlich schnuppe, bis eben jener Vater ihn entführt und dafür sorgt, dass Arlos Alter Ego, der Clown, wieder ins Zentrum der Medien-Aufmerksamkeit rückt. Nachdem sich Unbekannte an ihre Fersen heften und Anschläge auf ihr Leben passieren, scheint doch irgendetwas an den durchgeknallten Verschwörungstheorien des Alten zu sein.
Zur gleichen Zeit begleiten wir eine junge Journalistin. Als Volontärin und Mädchen für alles, hat sie sich der Klatschreporterin schlechthin angeschlossen und darf sich dafür von dieser ausnutzen und beleidigen lassen. Dass sie einen Instinkt für die Story hat, dass sie recherchieren und schreiben kann, interessiert in der Welt, in der die nächste Schlagzeile schon veraltet ist, niemanden - bis ausgerechnet sie eingeladen wird, eine Exklusivstory zu schreiben.
Vor Jahren, nachdem die Serie abgesetzt wurde, hat eine offensichtlich geistig gestörte Frau die Haupt-Darsteller ermordet. Keiner ahnt, dass die Zander Squad, eine Gruppe genialer Erfinder, die sich der Jagd auf Superschurken verschrieben hat, tatsächlich existiert. In den unzugänglichen Regionen der Schweizer Alpen haben sie ihr Hauptquartier und mit der „Jules Verne“, einem Zeppelin, der technisch fast allem in der Luft fliegenden überlegen ist, gehen sie auf die Jagd nach Diktatoren und Möchtegern-Weltbeherrschern.
Während die Spezialisten des Konzerns versuchen, ihr Filmprojekt um die Neuauflage der Serie zu retten, entbrennt ein von beiden Seiten gnadenlos geführter Krieg um die Zukunft der Menschheit - wie er sensationeller fürs Kino nicht erdacht werden könnte…
Andreas Zwengel ist mir mit seinen Erzählungen und Romanen schon länger aufgefallen. Mit „Die Welt am Abgrund“ legte er einen überzeugenden Steampunk-Roman vor, mit der Sammlung „Panoptikum“ bewies er, dass er die Varianten der Phantastischen Literatur perfekt beherrscht. Seit Kurzem gehört er zum Autorenkreis von „Ren Dhark“ und schreibt für Serien des BLITZ-Verlages.
Zunächst tat ich mich mit vorliegendem Roman schwer. Er beginnt ganz in der Realität, zeigt uns einen ehemaligen Schauspieler, der eigentlich nur seine Ruhe möchte, eine junge Journalistin aus schwierigem Elternhaus und eine für eine gute Story über Leichen gehende Sensationsreporterin – soweit, so gut.
Doch was hat das alles mit der im Waschzettel genannten TV-Serie zu tun?
Bis zur Auflösung dieser Frage dauert es etwas, so dass ich, zwar durchaus interessiert, aber auch ein wenig hilf- und orientierungslos, der Handlung folgte. Zwar waren die Figuren vielschichtig gezeichnet, so manche von ihnen persifliert überzeichnet, doch in ihrer Mischung und Zeichnung durchaus interessant, allein es fehlte an dem roten Faden.
Im zweiten Teil wird dann der Vorhang gehoben, und plötzlich erschließt sich dem Leser der Sinn des Auftakts. Und gar plötzlich beginnt der Plot Tempo aufzunehmen. Es kommt zu Entführungen, Enthüllungen und Kämpfen, da fahren Luftschiffe durch den Himmel, geht ein exzentrischer Privatmann mit Billigung der internationalen Politik im Geheimen auf Verbrecherjagd quer über alle Grenzen hinweg. Hoppla, da wurden dann Versatzstücke von „Last Action Hero“ und Superhelden-Serien aufgegriffen, mit vielen Geheimnissen und Thriller-Elementen gekoppelt und dem Leser kredenzt.
Das ist in sich oft unglaubwürdig, in sich so manches Mal unlogisch, überbrodelnd - aber auch ein packender Lesespaß. Skurrile Erfinder mischen sich mit Spezialisten für die Lösung von Problemen, man fiebert mit, ob und wie unsere liebevoll gezeichneten Helden das Abenteuer wohl unbeschadet überstehen werden, wie all die unterschiedlichen Teile zueinander passen. Das zieht den Leser dann mit zunehmender Dauer immer mehr in seinen Bann, und plötzlich ist er da, der Sog, den jeder gute Thriller auszeichnet.
Nach einem etwas verwirrenden Beginn mausert sich der Roman zu einem Lesespaß abseits der großen, ausgetretenen Pfade, misch geschickt Elemente unterschiedlichster Sub-Genres zu einem ganz eigenen Ganzen und unterhält packend.