Jo Walton: Der Tag der Lerche (Buch)

Jo Walton
Der Tag der Lerche
(Ha’penny)
Aus dem Englischen übersetzt von Nora Lachmann
Titelillustration von benswerk
Golkonda, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 294 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-3-944720-67-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Alles beginnt damit, dass uns eine Frau erzählt, dass sie nicht an den Galgen kommt. Nun ist weidlich bekannt, dass nur absolute Gewaltverbrechen mit dem Tode bestraft werden und demgemäß nur wirklich böse Menschen am Strick baumeln - was also hat die Dame aus offensichtlich bestem Hause nur angestellt, dass sie selbst sich als Kandidatin für die Schlinge sieht?

Vorhang, im wahrsten Sinne des Wortes, auf für die Geschichte einer Schauspielerin. Dass sie den Hamlet als crossgender Darstellerin geben soll, sollte ihrer Karriere nochmals einen Schub verleihen. Dass sie dabei im Rahmen der Premiere nicht nur vor Hitler und seinem engstem Stab, sondern auch vor seinem britischen Verbündeten, Premierminister Mark Normanby, auftreten soll, rückt sie in den Fokus von Terroristen. Sie soll dabei helfen, eine selbstgebastelte Bombe im Theater zu platzieren. Dass dies ein gefährliches Unterfangen ist, beweist die Tatsache, dass Inspector Carmichael gerade den Tod einer alternden Diva untersucht, die sich in ihrem Haus zusammen mit einem Marineoffizier in die Luft gesprengt hat. Während der Inspector versucht, aus den Indizien seine Schlüsse zu ziehen, verfolgen die Attentäter weiter ihr Ziel - Freiheit für England, für Europa ja für die Welt…


Auch in Jo Waltons zweitem von insgesamt drei Romanen um Inspector Carmichael überrascht die Autorin durch unglaublich lebensechte, interessante Figuren und eine Welt, wie sie so durchaus hätte sein können.

Der Frieden mit den Nazis hat den Britischen Inseln das Ende der Bombennächte gebracht, aber auch die Ideologie des einstigen Gegners. Juden werden zwar - noch - nicht verfolgt, die Verleumdung und Ablehnung nimmt aber deutlich zu. Gelenkt auch durch die mittels Massenmedien aufgeschaukelte öffentliche Meinung, wandelt sich das einst so tolerante Britannien zu einem „Deutschland light“. Diese Entwicklung hat die Autorin nie plakativ aber immer deutlich im Hintergrund, in kleinen, scheinbar nebensächlichen Bemerkungen in ihre Handlung eingebaut. Selbst Carmichael, selbst beileibe kein Anhänger der Nazis, kann gegen die Grundhaltung, die das öffentliche Leben durchzieht, nichts ausrichten. Einen jüdischen Kollegen zu befördern, ist undenkbar, wie fähig dieser auch ist.

Daneben lebt der Plot durch die überzeugend dargestellte Welt des Theaters. All die Star-Allüren, die Eigenheiten und Selbst-Verliebtheiten der Darsteller, wirken in sich stimmig und lassen vor unserem inneren Auge die Bretter, die die Welt bedeuten, auftauchen. So verfolgen wir gespannt in den alternierenden Handlungssträngen die Versuche des Inspectors, aus den Hinweisen schlau zu werden und aus Sicht von Viola Lark, die Pläne der Rebellen - für Spannung und sehr viel Atmosphäre ist somit gesorgt.