Tim Miller: Familienmassaker (Buch)

Tim Miller
Familienmassaker
(Family Night)
Aus dem amerikanischen Englisch von Christian Jentzsch
Titelillustration von Arndt Drechsler
Festa, 2015, Taschenbuch, 152 Seiten, 12,80 EUR (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wenn man wegrationalisiert wird, dann kann einen dies schon mächtig aus der Bahn werfen. So geht es auch Eddie Mason, der als Fachmann in der Datenverarbeitung einen guten Job hatte - hatte, man beachte die Vergangenheitsform; bis der Job, wie nennt man das so schön „outgesourced“ wurde. Jetzt macht so ein kleiner brauner Inder seinen Job für die Hälfte vom Geld, und er selbst ist seit einem Jahr arbeitslos.

Schon vorher war die Ehe nicht mehr wirklich toll, doch seitdem er immer zu Hause sitzt, die Kohle von seiner ständig nörgelnden Frau herangeschafft wird, ist Streit der Normalfall.

Immer öfter geht Eddie darum, begleitet von seinen beiden Kindern, auf die Jagd. Offiziell hält er nach Wildschweinen Ausschau, doch in Wirklichkeit sucht er ein anderes, weit gefährlicheres Wild zu erlegen - Menschen, besser gesagt junge Frauen. Seine Kinder helfen ihm bei der Pirsch; sie alle verstecken sich unter Guy-Fawkes-Masken, fesseln ihre Beute, bringen sie in ihr Versteck und zerlegen sie dann bei lebendigem Leib. Das anschließende gemeinsame Festmahl entschädigt Eddie für Vieles - bis er als neuestes Opfer eine Polizistin und ihre lesbische Freundin auserwählt; ein noch gefährlicheres Wild, aber so etwas von reizvoll…


Gibt es - egal ob in der Literatur, dem Film oder der Geschichte - ein größeres, allgemein anerkannteres Tabu als Kannibalismus? Das Erlegen und den Verzehr menschlichen Fleisches ist eine der ganz wenigen Gemeinsamkeiten, die quer über alle Kontinente und Kulturen verpönt und verachtet ist. Umso beliebter ist dieses Topic bei den Autoren des Extrem-Horrors. Hier können sie punkten, können ihren Leser wohlige Schauer den Rücken hinunterlaufen lassen.

Tim Miller nutzt das Versatzstück des Menschenfressers in einem etwas anderen Umfeld. Er stellt uns einen Mann vor, der aufgrund von Arbeitslosigkeit und einer ständig keifenden Frau, auf die er angewiesen ist, seine innere Richtschnur verloren hat. Dass er seine Kinder anlernt, sie förmlich heranzieht und ihnen ihre natürliche Scheu vor dem Töten von Artgenossen und dem Verzehr dieser nimmt, kommt erschwerend hinzu. Keine Jury der Welt würde für ihn mildernde Umstände auch nur in Betracht ziehen, zu verdammenswert und pervers, dabei aber auch durchtrieben und schlau geplant sind seine Beutezüge.

Nach der Einführung der Handelnden geht der Autor dann auch ganz im Gore auf. Da wird gemetzelt, gefoltert, geschlachtet, dass das rote Blut nur zu läuft. Das ist widerlich, pervers und ja, auch angsteinflößend und somit wahrlich nichts für schwache Gemüter. Ein Extrem-Horror-Band, der sich an die Fans der schweinischen, der perversen Variante des Horrors richtet, die hier voll auf ihre Kosten kommen.