Anja Bagus: Glasberg – Ein Ætherwelt-Roman (Buch)

Anja Bagus
Glasberg
Ein Ætherwelt-Roman
Titelillustration von Anja Bagus
Edition Roter Drache, 2015, Paperback, 312 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-939459-89-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Seitdem der Æther fließt, hat sich die Welt des Jahres 1912 gewandelt. Menschen, die mit dem grünen Stoff in Verbindung kommen, verändern sich, entwickeln besondere Fähigkeiten oder verwandeln sich in Fabelwesen. Überall wachen Wesen aus der Sagenwelt auf, kommen Naturgeister aus ihrem Jahrtausende währenden Schlaf. Dass es sich bei den erwachenden Naturwesen nicht nur um dem Menschen freundlich gegenüberstehende Entitäten handelt, dass so manche der erwachenden Mächte seinen Herrschaftsbereich ausweiten will, müssen unsere beiden Helden aus dem letzten Æther-Abenteuer schmerzhaft erfahren.

Schon einmal, inmitten des Glasberges, trafen sie auf einen Feuerdämon, der sich zum Herrn der Welt aufschwingen will. Angeschlagen aber nicht besiegt, verließ dieser damals das Schlachtfeld, nur um einen neuen Anlauf zu nehmen.

In der Glasfabrik der Gebrüder Falk und Siegfried Bischoff geht gar Merkwürdiges vor. Arbeiter, aber vornehmlich Kinder, die Hilfsdienste verrichten, sterben, nachdem ihre Augen vorher einen weißen Schimmer angenommen haben. Hat etwa das vom Glasberg hierher transportierte und verarbeitete Grünglas etwas mit ihrem Tod zu tun? Auskunft könnte ein gefeierter Mann geben, der die Haute-Volée Badens im Sturm erobert. David massiert, entspannt und verjüngt die Damen der oberen Zehntausend – und das auf eine Art und Weise, die die Begeisterung seiner Kundinnen weckt. Schon bald aber müssen Falk und Minerva erfahren, dass der Wohltäter für verspannte Rücken und faltige Haut, nicht unbedingt das Wohl seiner Kunden im Auge hat; ganz im Gegenteil macht er sich auf, mit Hilfe Falks Entdeckungen über die Wirkung von Æther im Glas und Minervas Fähigkeit mit dem Stoff zu interagieren und zunächst Baden, später die Welt zu erobern.

Doch es regt sich Widerstand – Naturwesen, der Herr der Albe und unser tapferes Paar nehmen den Fehdehandschuh auf…

Nach dem Ende der ersten Æther-Trilogie fragte ich mich, wie Anja Bagus ihre Saga um die Auswirkungen des grünen Stoffes auf die Gesellschaft Badens um die vorletzte Jahrtausendwende wohl fortsetzen würde. Drohte einmal mehr ein mehr oder minder müder Aufguss der bekannten Motive, oder würde der Autorin etwas Neues einfallen?

Im ersten Band gab sie beeindruckend ihre ganz eigene Antwort. Sicherlich glich von der Grundanlage her Vieles der ersten Trilogie. Wieder stand eine junge, tatkräftige Frau im Mittelpunkt der Handlung, die nicht nur gegen Vorurteile ankämpfen musste, sondern die auch ein gehöriges Päckchen zu tragen hatte. Als junge Witwe eines Adeligen wurde sie für den Unfalltod ihres Mannes verantwortlich gemacht, betreut ihre kapriziöse Mutter, eine ehemalige Operetten-Diva und muss sich unerwünschter Galane erwehren. Als sie dann in die mysteriösen Ereignisse rund um den Glasberg und den Erlkönig verwickelt wird, wird ihr Leben noch dramatischer.

Vorliegend wechselt der Handlungsort. Wieder einmal steht Baden-Baden im Zentrum des Geschehens, geht es darum, den Angriff und Missbrauch durch eines der vom Æther erweckten Wesen abzuwehren. Gut das erste Drittel des Romans bietet sich dabei etwas gemächlicher an, als ich dies von Bagus gewohnt war. Wir erfahren viel über die familiären Hintergründe der Familie der Protagonistin, besuchen das Glaswerk ihres Verlobten und beobachten, wie die Autorin ihre Figuren in Stellung bringt. Das ließ ein ganz klein wenig das bislang hohe Tempo vermissen.

Dann aber überstürzen sich die Ereignisse. Plötzlich geht es voller Elan hinein ins gefährliche Abenteuer. Erpressung, Entführung und Mord warten auf uns, die Kämpfe werden immer dramatischer, die auftretenden Wesen, der Nachtkrapp und die Albe, Drachen und Feuerdämonen, immer phantastischer, und alles läuft stringent auf das Finale zu – das dann aber nur einen Zwischenhalt zum in Vorbereitung befindlichen dritten, abschließenden Band darstellt.

So bietet auch dieser Roman wieder viel Spannung, zeigt uns eine Welt, wie sie einmal war, die dank der Auswirkungen des Æthers mit der Beschaulichkeit, die wir mit der Ära verbinden, wenig gemein hat.