Death Experience 1: Die Barke des Ra (Comic)

Death Experience 1
Die Barke des Ra
(Expérience Mort: La Barque de Râ)
Idee & Visuelle Postproduktion: Denis Bajram
Idee, Szenario & Dialoge: Valérie Mangin
Storyboard, Zeichnungen & Farben: Jean-Michel Ponzio
Übersetzung: Harald Sachse
Splitter, 2015, Hardcover, 48 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-95839-027-0

Von Frank Drehmel

Um ihren Sohn Matt zu retten, der seit Jahren an einer tödlichen Krankheit dahinsiecht und mittlerweile in einem „Kryo-Sarg“ ruht, damit das künstliche Kälte-Koma den Verfall des Körpers verlangsamt, ist die US-amerikanische Milliardärin Katlyn Fork bereit, ein bizarres, kostspieliges Experiment zu finanzieren: Mittels Quantenverschränkung und Tachyonen-Technologie soll ihr Sohn ein fantastisches Gefährt in die Sphären jenseits des Lebens und an die Grenze des unwiderruflichen Todes schleppen.

An Bord dieses Schiffes names „Horus Ra“ finden sich neben Katlyn Fork einige Spezialisten, alles Koryphäen ihres Fachgebiets, ein: der Jesuit, Physik-Nobelpreisträger und Gesandte des Vatikans Pater Georges Theillard, die Tachyonen-Physikerin Doktor Elois, der Chefingenieur Isaac Levy, Agent Black von der US-Regierung sowie der draufgängerische Raumpilot Buzz.

Das Experiment beginnt mit dem Tod Matts und auch wenn es zunächst nach einem Fehlschlag aussieht, begeben sich der eisige Sarkophag und die „Horus Ra“ einschließlich ihrer Besatzung kurz darauf auf ihre Reise in eine Zwischenwelt, an die Grenzen des menschlichen Verstandes und der Wahrnehmung, eine Reise entlang jener Phasen des Sterbens, von denen viele Nahtod-Erlebnisse berichten.

Und während Schiff und Sarg in der physischen Welt im Forschungszentrum überwacht von einem großen Forscherstab ruhen, müssen sich Fork und ihre Crew in ihrer Welt nicht nur ihrer Vergangenheit und ihrer menschlichen Emotionalität stellen, sondern müssen lernen, dass an der Grenze zum Tod nicht nur Erinnerungen ihrer harren, sondern weitaus Gefährlicheres.

Beginnt die Story vergleichsweise konventionell und erinnert mit ihrem mysteriösen Prolog, der sukzessiven Rekrutierung der Spezialisten, welche zwar grundsätzlich markant, aber dennoch relativ klischeehaft gezeichnet sind, sowie dem Technobabbel an einschlägige Filme wie beispielsweise „Stargate“, so beginnt mit der Tötung Matts auch für den Leser eine Reise ins Unbekannte, ins Geheimnisvolle und Unheimliche, wächst mit jeder Station der Protagonisten, mit jeder Nahtod-Phase die Beklemmung, das Gefühl einer Bedrohung. Dabei verzichten die Autoren auf plakativen Horror sondern erzeugen Unwohlsein über die Dialoge der Reisenden, über Widersprüche zwischen Erlebtem und Erwartetem, über kleine Zeichen wie eine stillstehende Uhr oder zunehmende Kälte.

Erfreulich ist, weil zumindest im Mainstream(-Film)-Genre ungewöhnlich und überraschend, dass die Protagonisten trotz unterschiedlicher Motive und Hintergründe harmonisch interagieren – oder es wenigstens versuchen –, es keinen echten Badass und keinen strahlenden Gutmenschen gibt, die Bedrohung also von außen an sie alle herangetragen wird und nicht aus der Gruppe heraus entsteht.

Ein großer Teil der Intensität und Spannung erwächst – naturgemäß – aus dem Artwork Ponzios, der sich einmal mehr eines hochrealistischen Stils bedient. Insbesondere in der Zeichnung der Figuren bemüht er sich nicht nur um extrem hohe Individualität in der Physiognomie, sondern auch um natürliche Proportionen, Posen, Mimiken, sodass man sich als Leser kaum des Eindrucks erwehren kann, dass für die Charaktere echte Menschen – oder wenigstens deren Fotos – Modell gestanden haben. Der extrem hohe Realismus zieht sich darüberhinaus wie ein roter Faden durch die gesamte Gestaltung, angefangen bei den Faltenwürfen der Kleidung über Architektur und Wolken bis hin zum technischen Equipment beziehungsweise Umfeld. Dass das Artwork dennoch nicht hölzern und statisch wirkt, ist zum einen dem cineastischen, dynamischen Bildfolgen zu verdanken, zum anderen der stimmigen Kolorierung sowie der großen visuellen Tiefe der Bilder infolge des gekonnten Einsatzes sehr feiner, wenn auch oft großzügiger Verschattungen.

Fazit: Was zunächst als konventionelle Story beginnt, entwickelt sich auch dank des hochrealistischen, atmosphärisch stimmigen Artwork in eine intensive, fesselnde und abenteuerlicher Reise ins Unbekannte. Uneingeschränkt empfehlenswert!