Hexe Total (Comic)

Hexe Total
Text & Artwork: Simon Hanselmann
Übersetzung: Mathias Emanuel Hartmann
Avant, 2015, Album, 176 Seiten, 24,95 EUR, ISBN 978-3-945034-20-0

Von Frank Drehmel

Megg ist eine Hexe – oder zumindest trägt sie ein Hexen-Kostüm und hat einen eher grünlichen Teint. Sie teilt ihr tristes kleinstädtisches Vorstadt-Domizil und ihr ebenso tristes Leben mit einer schwarzen Katze namens Mogg. Und teilen bedeutet in diesem Fall nicht nur den gemeinsamen Genuss diverser Drogen – vorzugsweise stark halluzinogener –, sondern auch artübergreifende Erotik in Form von Ani- und Cunnilingus.

Regelmäßig erhalten sie Besuch von Owl, einer antropomorphen Eule, die sie wohl als Freund bezeichnen würden – immerhin teilen sie ihre Rauschmittel (mehr oder weniger) freundschaftlich –, der sie aber gerne auch Streiche jenseits des guten Geschmacks spielen, weil Owl im Grunde seines Wesens ein Spießer und Langeweiler vor dem Herrn ist. Ergänzt wird das ungleiche Trio durch Jones, einen kernigen Werwolf, der zwar gutmütig ist – wenn er nicht gerade Owl vergewaltigt –, der jedoch die Körperhygiene eher schleifen lässt, dafür aber die gleiche Affinität zu Drogen an den Tag legt, wie der Rest der Bagage. Und dann ist da noch Zauberer Mike, ein Mann ohne herausragende Eigenschaften, dafür jedoch in einer hübschen roten Zauberergewandung, der eigentlich immer nur dann auftaucht, wenn eine Party angesagt ist.

Obwohl Simon Hanselmanns Shortstorys fast immer auch eine humoristische Note innewohnt, ist der Grundton der Geschichten so düster und deprimierend wie die Lebensumstände und Befindlichkeiten der Protagonisten. Gefangen in der Tristesse einer dem Niedergang geweihten „Suburbia“, einer bürgerlichen Vorstadt, fechten Megg, Mogg, Owl und ihre Kumpane in einem täglichen Kampf mit ihren Depressionen, mit ihrer Langeweile und ihrer Mittellosigkeit, wobei ihre Waffen in diesem Kampf Drogen, Zynismus und eine lakonische Gefühlskälte sind, die sie zwar nicht sonderlich sympathisch erscheinen lassen, die jedoch durch und durch menschlich wirkt.

Angesichts des Fehlens großer persönlicher und gesellschaftlicher Visionen und Träume kreisen die Verlierer fast schon autistisch um sich selbst, kaum fähig über die Banalität und Trivialität des Alltags hinaus zu kommunizieren und Nähe jenseits sexueller Eskapaden zu fühlen und zu teilen.

Ob und inwieweit die Comics des in Tasmanien geborenen Hanselmanns autobiografische Züge tragen, interessiert nur am Rande, denn die Comics scheinen den Zeitgeist zu treffen, das Lebensgefühl einer Leserschaft, der große Ideale weitgehend abhanden gekommen sind und die ihr Glück im Erreichen einer Bürgerlichkeit, eines „Dabeiseins“ sucht, das zumindest Leser verstören könnte, die mit anarchisch-intellektuellen, „visionären“ „Stoner-Comics“ wie Sheltons „The Fabulous Furry Freak Brothers“ aufgewachsen ist.

Grafisch, visuell verfolgt Hanselmann einen naiven, flächigen Ansatz. Im Mittelpunkt der Panels stehen häufig die gleichermaßen einfachen wie ausdrucksstarken Figuren, während Umgebung und Ambiente auf das Nötigste reduziert sind und im Wesentlichen nur die räumliche Beziehung beziehungsweise Position der Charaktere zueinander verdeutlichen, darüberhinaus jedoch keinen Selbstzweck innehaben. So einfach die Bilder auf den ersten Blick auch scheinen, so expressiv, mitreißend, originell und fühlbar sind jene Passagen, in denen der Zeichner drogeninduzierte Halluzinationen oder depressive Phasen seiner Helden visualisiert.

Fazit: Trotz einiger komischer Szenen, ein überaus deprimierendes Setting: sprachlose Verlierer auf Drogen, die ein kleines bourgeoises Glück suchen, aber selten zu mehr als Destruktion fähig sind. In „Hexe Total“ verleiht Hanselmann einer abgehängten Jugend eine Stimme. Von daher: Empfehlenswert.