Gotthard Günther: Science Fiction als neue Metaphysik? (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 17. März 2015 11:12
Gotthard Günther
Science Fiction als neue Metaphysik?
Dr. Gotthard Günthers Kommentare zu „Rauchs Weltraum-Büchern“
Verlag Dieter von Reeken, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 138 Seiten, 12,50 EUR, ISBN 978-3-940679-93-2
Von Carsten Kuhr
Es war die Zeit vor der sogenannten goldenen Ära der Science Fiction. Während in dem angloamerikanischen Sprachraum die Zukunftsliteratur in Dime Novels erste wirtschaftliche wie inhaltliche Erfolge verzeichnen konnte, tat sich das teutonisch sprechende Publikum jenseits des Großen Teiches mit den Geschichten noch schwer.
Man war, wenn überhaupt, bislang die Werke eines Kurd Laßwitz’, eines Hans Dominiks oder eines P. A. Müllers gewohnt, die deutlich technisierte Eroberung der Weiten des Alls und der technische Fortschritt, der sich an Robotern messen ließ, war für das Publikum ungewohnt und Neuland. Dr. Gotthard Günther übernahm für den im Rheinland beheimateten Rauch Verlag die Aufgabe, herausragende Werke auszusuchen und in einer gediegenen, gebundenen Ausstattung und werkgetreu übersetzt herauszugeben.
Vier Bücher erschienen in den 50er Jahren, die bis vor Kurzem antiquarisch relativ problemlos zu bekommen waren. Seitdem ein US-amerikanischer Sammler die Titel alle aufkauft, sind die Rauch-Ausgaben – mit Ausnahme der Anthologie gibt es alle Romane in anderen Taschenbuchausgaben – etwas schwieriger zu erhalten, so dass die Veröffentlichung der Nachworte des Herausgebers sicherlich zu begrüßen ist.
Den Auftakt macht ein Essay Günthers, das außerhalb der Buchreihe 1952 in Heftform vom Rauch Verlag publiziert wurde.
In diesem, für mich dem interessantesten Beitrag des Bandes, widmet sich Dr. Günther der Entdeckung Amerikas und der Sache mit der Weltraum-Literatur. Inhaltlich zu hinterfragen. aber sehr interessant zu lesen, sind dabei seine Thesen, dass die bis dato kulturlosen Amerikaner – die wenigen Ausnahmen fußen laut Günther rein auf europäischen Wurzeln – mit der Science Fiction erstmals eigene Wege gehen und ein metaphysisches Weltbild entwerfen, das ein neues Zeitalter einläuten könnte.
In den ebenfalls abgedruckten Nachworten zu den vier Büchern beschäftigt Günther sich dann, inhaltlich auf hohem intellektuellem Niveau, mit der Einordnung der jeweiligen Handlung in ein modernes Weltbild. Sei es, dass er dem Leser die Unendlichkeit des Alls und die physikalische Unmöglichkeit der Erreichung ferner Gestirne vor Augen hält, sich zu der damals neu aufkommenden Kybernetik äußert oder den technischen Fortschritt, die Industrialisierung und die Übernahme von Denkprozessen durch Maschinen thematisiert, immer regt er intelligent und kontrovers zum Mitdenken, zum Nachdenken und zur Stellungnahme an.
Wie Dr. Franz Rottensteiner in seinem Nachwort zutreffend ausführt, muss, ja kann man nicht allen Aussagen Günthers beitreten, dennoch lesen sich die Essays auch heute noch, weit über 60 Jahre nach ihrer Entstehung, interessant und provokant.