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Ist die Zeit der Fantasy vorbei? Hat das Taschenbuch eine Zukunft?

In den vergangenen Jahren hat Phantastik-News.de zweimal im Jahr die Herausgeber der wichtigsten deutschsprachigen Reihen im phantastischen Bereich nach ihren Lieblingstiteln im kommenden Halbjahr befragt. Letztmalig geschah dies im Januar. Da sich die Buchlandschaft wandelt – größere Verlage zum Teil weniger verlegen, kleinere Verlage zum Teil mehr verlegen und Autoren, die ihre Titel selbst verlegen immer mehr von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden –, pausiert diese Fragerunde bis auf Weiteres. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat daher diesmal den Herausgebern zwei andere Fragen gestellt.

1) Quo Vadis Fantasy? Ist die große Zeit der Fantasy im Buch – trotz oder vielleicht wegen des Erfolgs des Hobbits im Kino und der „Game of Thrones“-Reihe im TV – vorbei?



2) Amazon hat kürzlich eine eBook-Flatrate gestartet. Bedeutet dies mittel- bis langfristig das Ende für Taschenbücher (klar dürfte sein, dass Kleinauflagen sorgfältig gemachter Hardcover weiter ihren Markt finden werden)?

Hier sind die Antworten.

Carsten Polzin, Piper:

1) Das Schicksal der Fantasy-Literatur nur am Hype der „Herr der Ringe“-Filme zu messen, wäre verfehlt: damals kam das Genre tatsächlich für einige Jahre im „Mainstream“ an, ein Erfolg, der weder durch die „Hobbit“-Filme noch durch „Game of Thrones“ wiederholt werden konnte. Nun ist die Fantasy zwar nicht mehr das „Genre der Stunde“, an dem alle teilhaben wollen, aber Autoren, die originelle Stoffe schreiben und hohe Qualität bieten, sind nach wie vor sehr erfolgreich. Der Markt hat sich konsolidiert, nachdem viele Verlage, die sich an den Trend anhängen wollten, mangels Know-how gescheitert sind und einsehen mussten, dass es ein spezielles Genre ist, an das die Fans und Leser zu Recht sehr hohe Erwartungen knüpfen und das man als Verlag nicht einfach so nebenbei mitmachen kann. Und auch für neue Verlage wird es äußerst schwierig werden, sich in diesem Umfeld zu etablieren. Aber die Fantasy wird all dem gelassen zusehen und es überdauern – sie ist im besten Sinne zeitlos, und die Sehnsucht nach epischen Abenteuern in magischen Welten wird immer bleiben.


2) Eine eBook-Flatrate zu machen, lag auf der Hand. Der Erfolg wird vor allem davon abhängen, welche Titel eine solche Flatrate anbieten kann, und da sieht es bislang noch nicht so rosig aus, zumindest was den deutschen Markt angeht. Dass eBook und Taschenbuch nicht gerade die besten Freunde sind, ist offensichtlich, auch, dass die Verkaufszahlen im eBook nach oben und die im Taschenbuch nach unten gehen. Aber es ist noch kein Ende der Taschenbücher in Sicht – gerade in der Fantasy und Science Fiction, wo wir Sammler uns doch lieber unsere Lieblingsserie ins Regal stellen als dort ein leeres Fach zu sehen mit einem Link zu Amazon. 


Holger Kappel, Blanvalet/Penhaligon:

1) Nein, die große Zeit der Fantasy ist nicht vorbei. Wie in jedem anderen Genre schwankt das natürlich. Das ist direkt verbunden mit der Veröffentlichung von Romanen der ganz großen Bestsellerautoren. George R.R. Martin schreibt noch an seinem nächsten Roman. Sobald der bei Penhaligon erscheinen wird, ist ein neuer Höhenflug der Fantasy vorprogrammiert. (Nein, ich weiß leider noch nicht, wann das sein wird.) Ich finde die implizierte Schlussfolgerung interessant. Ist die große Zeit der Fantasy vorbei, weil Fantasy-Romane so erfolgreich sind, dass sie mit einem enormen Budget verfilmt werden? Ist es nicht eher so, dass Fantasy als Buch davon enorm profitiert? Zumindest in meinem Umfeld kenne ich einige, die „Game of Thrones“ gesehen haben und deswegen „Das Lied von Eis und Feuer“ lesen wollten. Und ich glaube nicht, dass nur George R. R. Martin davon profitiert. Gerade seine Romane sind doch der beste Einstieg in die Fantasy und perfekt zur Überwindung von Vorurteilen gegen sie. Fantasy-Romane für alle Altersgruppen stehen aktuell auf den Bestsellerlisten, egal ob Kinder- oder Jugendbuch oder für (junge) Erwachsene.Ich kann also nur wiederholen: Nein, die große Zeit der Fantasy ist nicht vorbei.

2) Ich persönlich mag eBooks und lese gerne auf dem Reader. Ich finde das wahnsinnig praktisch, schon weil ich ja auch beruflich so viel lese. Aber gerade in der Fantasy geben sich alle Verlage mit der Ausstattung und Gestaltung sehr viel Mühe. Kein anderes Genre hat so häufig Klappen, Karten, Illustrationen, geprägte Cover und so weiter. Wir machen einfach schöne Bücher. Und da ich glaube, dass viele Fantasy-Leser auch Sammler sind, ist das auch richtig so. Als privater Leser möchte die die Bücher nebeneinander im Regal stehen haben, und es soll toll aussehen. So zum Beispiel mit unseren neuen Ausgaben von „Das Spiel der Götter“ von Steven Erikson und „Codex Alera“ von Jim Butcher. Ich habe die natürlich längst gelesen, dennoch nehme ich sie mit nach Hause und stelle sie im Wohnzimmer ins Regal. Einfach, weil es gut aussieht. Ich gebe Büchern in gedruckter Form noch eine lange Berechtigungszeit. Abgesehen davon wissen wir, dass durch die vielen neuen Lesemöglichkeiten von eBooks sogar neue Leser dazu kommen.

Martina Wielenberg, Droemer Knaur Verlag:

1) Aus meiner Sicht nicht, eher im Gegenteil. Gerade dank und auch wegen der Verfilmungen im Kino und im Fernsehen steigt das Interesse an klassischen Fantasy-Stoffen eher wieder. Fantasy, gerade auch die High Fantasy, ist nun stärker im Mainstream verankert als jemals zuvor und kann nun auch im Buchbereich Lesergruppen erreichen, die früher nie zuvor ein Fantasy-Buch in die Hand genommen hätten, dieses Genre nun aber für sich entdeckt haben. In meinen Augen sind die anderen Medien an dieser Stelle eher Türöffner als Todesboten für das Buch.

2) Ich glaube nicht, dass eBook-Flatrates oder eBooks an sich das Ende des Taschenbuchs bedeuten. Natürlich wird sich der Markt verändern und natürlich geht der Erfolg des eBooks zunächst auf das Taschenbuch. Aber ein Blick auf die USA, die uns ja in dieser Entwicklung um ein paar Jahre voraus sind, zeigt, dass der eBook-Markt dort seit einiger Zeit stagniert. Ob eine eBook-Flatrate daran etwas ändert, muss man abwarten.

Sara Riffel, VGS/Lyx:

1) Vorbei ist die Zeit der Fantasy im Buch sicherlich nicht. Eher im Gegenteil. Durch Fantasy-Produktionen in Film und Fernsehen ergeben sich Synergieeffekte für das gesamte Genre. Fantasy ist endgültig im Mainstream angekommen und gilt nicht mehr nur als Nischen-Phänomen für einen eingeschränkten Leserkreis. Noch nie zuvor war es so cool, Fantasy zu lesen. Entsprechend gibt es auch nach wie vor viele tolle neue Autoren zu entdecken, die dem Genre ihren Stempel aufdrücken.

2) Je flächendeckender die Verbreitung von Lesegeräten und stärker die Akzeptanz von eBooks bei den Lesern, desto größer wird natürlich die Konkurrenz fürs Taschenbuch. Ganz aussterben wird es aber bestimmt nicht. Letzten Endes hängt das Bevorzugen eines bestimmten Mediums durch die Leser von vielen Faktoren ab und fällt bei verschiedenen Genres und Leserkreisen ganz unterschiedlich aus.

Sascha Mamczak, Heyne Verlag:

1) Mit dem Fantasy-Markt hat es eine spezielle Bewandtnis: Während sich die Gesamtzahl der Leserinnen und Leser in den letzten Jahrzehnten nicht wirklich groß verändert hat, sind die Verschiebungen innerhalb dieser Gruppe eklatant: Mal stürzen sich (fast) alle auf Völker-Romane rund um die Herr-der-Ringe-Filme, dann auf einen bestimmten Zyklus wie „Game of Thrones“. Diese Zuspitzung suggeriert einen Boom, sagt aber eigentlich nur, dass es sehr viele Menschen dort draußen gab, gibt und geben wird, die sich gerne in Fantasy-Welten entführen lassen, aber sehr wählerisch waren, sind und sein werden, wenn es um die Wahl ihrer Fantasy-Welt geht. Diese Menschen wollen wir auch weiterhin erreichen.

2) Das Ende des Taschenbuchs auszurufen, wäre wohl zu verfrüht – niemand weiß, wie sich der Buchmarkt in den nächsten zehn Jahren in Deutschland entwicklen wird. Dass das Taschenbuch aber unter Druck gerät, war absehbar: nicht nur wegen des Preises, sondern ganz banal auch wegen der einfacheren Vertriebswege (das Taschenbuch selbst hat ja vor über fünfzig Jahren das Hardcover so erfolgreich verdrängt, weil es viel einfacher zu vertreiben war). Aber ich treffe – und die Zahlen aus den USA belegen das – auch immer wieder Leute, die mit einem eBook einfach nichts anfangen können. Meine Schätzung ist, dass diese Gruppe auch in absehbarer Zukunft noch einen funktionierenden Markt konstituieren wird.