Wolfgang Jeschke: Dschiheads (Buch)

Wolfgang Jeschke
Dschiheads
Heyne, 2013, Taschenbuch, 368 Seiten. 7,99 EUR, ISBN 978-3-453-31491-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Armin Möhle

„Ich sehe in den Religionen ein Verhängnis der Menschheit. Sie fragmentieren sie in zum Teil kriegerische Glaubensgemeinschaften, die sich unversöhnlich gegenüberstehen.“, sagt Wolfgang Jeschke in seinem Interview in „phantastisch!“ Ausgabe 50. Das neueste Buch des langjährigen Herausgebers der Science Fiction-Reihe des Heyne Verlags, unzähliger Anthologien und Autor der Romane „Der letzte Tag der Schöpfung“ (Heyne, 1985), „Midas“ (Heyne, 1993), „Meamones Auge“ (Heyne, 1997), „Osiris Land“ (Heyne, 1997) und „Das Cusanus-Spiel“ (Droemer, 2005) greift dieses Thema auf.

„Dschiheads“ spielt auf Hot Edge, dem inneren von drei Planeten eines Sonnensystems, für den, wie der Name vermuten lässt, mitunter lebensfeindliche Temperaturen und Stürme charakteristisch sind. Der Roman weist zwei Handlungsstränge auf.

Auf Hot Edge sind die Dschiheads beheimatet, eine religiöse Sekte, die in ihrer Vergangenheit sehr radikal war und auch zu Gewalt griff. Sie wird totalitär beherrscht von dem Großarchon. Der Junge Suk wächst in ihr auf. Als die Dschiheads einen sogenannten Dongo, eine einheimische humanoide Lebensform, töten, fallen er und sein Freund Anzo dem Großarchon unangenehm auf. Gleichzeitig landen die Wissenschaftler Ailif Avrams, Maurya Fitzpatrick und Sir Jonathan Swift (sic!) auf Hot Edge. Sie wurden von dem inzwischen verschollenen Kommandanten der Flottenstation auf dem Planeten angefordert, um kunstvolle Felszeichnungen zu untersuchen, die auf intelligente Urheber hinweisen.

Im Laufe der Handlung gelingt es Suk, den Fängen der Dschiheads zu entkommen, und den Wissenschaftlern, das wichtigste Geheimnis der Ökologie von Hot Edge zu lüften. Inklusive eines Zusammenpralls zwischen den Dschiheads beziehungsweise dem Großarchon und den Wissenschaftlern.

„Dschiheads“ ist einerseits ein Weltenentwurf, andererseits eine Abrechnung mit Religionen. Die Welt, die Wolfgang Jeschke kreiert, mit ihren Extremen, ihrer außergewöhnlichen Flora und Fauna, und mit der intelligenten Lebensform, die sie ungeachtet ihrer Unwirtlichkeit hervorgebracht hat, nun, das ist durchaus vielfältig, detailreich und überzeugend. Das ist mehr als eine Kopie oder eine Abwandlung der irdischen Ökologie. Beim religionskritischen Ansatz – wenn man diesen hochtrabenden Terminus benutzen will – versagt „Dschiheads“ jedoch. Und zwar schlicht und einfach, weil die Religion in der Zukunftswelt des Autors keine Rolle mehr spielt.

Die Dschiheads wirken wie eine Karikatur. Natürlich haben sie historische Vorbilder, was ihren Dogmatismus und die Unterdrückung und die Ausbeutung ihrer Mitglieder durch ihr Oberhaupt angeht. Jedoch stellen sie keine Bedrohung für die übrige Gesellschaft mehr dar, nachdem die Dschiheads nach Hot Edge auswanderten. Die menschliche Gesellschaft in der Galaxis – über die der Leser in dem Roman nicht viel erfährt, außer dass ein Planet namens New Belfast besiedelt wurde und es offenbar militärisch organisierte Raumflotten gibt – ist nicht mehr religiös. Und das nicht aufgrund einer intellektuellen Entwicklung, sondern weil die Gläubigen mehr oder minder freiwillig lobotomisiert wurden (ein Eingriff in den Schläfenlappen des Gehirns, deren Anomalie die Ursache von Religiosität sein soll… die sogenannte „Gottektomie“ [Seite 125]).

Mit anderen Worten: Die Zukunftsvision des Autors ist bereits verwirklicht. „Dschiheads“ bleibt ein seltsamer bis harmloser Roman.

„Ich habe die 76 überschritten. Da wird nicht mehr viel kommen.“ Auch das steht im Interview mit Wolfgang Jeschke. Wenn das heißen soll, dass „Dschiheads“ das literarische Vermächtnis des Autors ist – nun ja, das wäre schade. Da erscheint es lohnenswerter, zu dem Sammelband zu greifen, der die Romane „Der letzte Tag der Schöpfung“, „Midas“ und „Das Cusanus-Spiel“ (Heyne) enthält und parallel zu „Dschiheads“ erschienen ist.