Clegg, Douglas: Priester des Blutes – Vampyricon 1 (Buch)

Douglas Clegg
Priester des Blutes
Vampyricon 1
(The Priest of Blood)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jutta Swietlinski
Blanvalet, 414 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-442-24442-3

Von Carsten Kuhr

Wir schreiben das 12. Jahrhundert. In Nordfrankreich, der späteren Bretagne, lernen wir einen Jungen kennen, dessen Leben uns fürderhin beschäftigen wird.
Aleric Atheffelde wird als Bastard einer Hure und eines unbekannten Vaters in mehr als ärmlichen Verhältnissen geboren. Erst als er als in die Dienste des örtlichen Barons tritt, bessert sich seine Lage. Dass er von seinem Halbbruder missbraucht wird, dass er ob seiner Mutter, der Dirne, gehänselt wird, kann er verkraften. Doch dann verliebt er sich in die Tochter des Barons, und die neidischen Einflüsterungen seines Halbbruders zeigen Wirkung. Als seine Mutter auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt wird, ändert sich auch sein Dasein. Als Sklave wird er ins Heilige Land als Streiter im Auftrage Gottes verkauft. Doch statt schnell und ruhmlos unterzugehen, schlägt sich der Junge im wahrsten Sinne des Wortes gut. Als er sich vom Tross der Kirchenkämpfer absetzt, gerät er tief in der Wüste an einen von Vampyren und Ghulen bewohnten Ort. Die Priesterin Pythia wandelt den Jungen in einen Blutsauger, und eine uralte Prophezeiung, die besagt, dass er der dunkle Messias der Vampyre sei, beginnt sich zu erfüllen …

Vorliegender Titel zeichnet sich schon rein optisch von den üblichen Vampir-Romanzen ab. Kein gestählter Waschbrettbauch nebst schmachtender Schönen, die sich in die Arme ihres Blutsaugers kuschelt, sondern ein markanten vertikaler Schriftzug in schwarzem Prägedruck, das war’s.
Understatement pur, das Interesse auf den vermutlich ungewöhnlichen Plot wecken soll, und dies auch schafft.

Der Inhalt unterscheidet sich doch markant von dem momentan so Angesagtem. In der ersten Hälfte des Buches ist von Vampyren, den einstigen Herren der Welt, die vor Urzeiten von ihrem Thron gestürzt wurden, nichts zu erblicken. Stattdessen verwöhnt Clegg seine Leser mit einer ungewohnt realistisch wirkenden Darstellung des Lebens im 12. Jahrhundert. Ohne falsche Sentimentalität berichtet er uns vom kargen Dasein des gemeinen Volkes, das sich um die wenigen Futtertröge schart und mit allen Mitteln versucht, auch auf Kosten ihres Nächsten die eigenen Existenz zu sichern. Das wirkt düster, das passt zum Mittelalter, das ist weit von den strahlenden Helden á lá Arthus und Co. entfernt. Hier gibt es kein großes Ehrbewusstsein, hier nutzen die Mächtigen ihre Macht zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, hier wird gnadenlos ums Überleben gekämpft. Dass eine Frau, mehr noch eine Mutter, um ihr eigenes und das Überleben ihrer Kinder zu sichern die Beine für Essen breitmacht, ist nachvollziehbar. Dass die ungewollte Leibesfrucht dann zu weiteren Abhängigkeiten und Abrutschen im karg ausgeprägten Sozialgefüge führt, nur zu logisch.

Die Zeit und ihre Bewohner waren grausam und blutrünstig und genau dies porträtiert der Autor nüchtern, aber eben gerade dadurch aufrüttelnd. Erst spät, sehr spät im Roman, wird dann aus den unauffällig eingeschobenen übernatürlichen Sequenzen (so versteht unser Held die Sprache der Vögel, sucht und findet er einen Greif – einen geflügelten Mensch-Dämon – und entstammt der Junge einem alten keltischen Herrschergeschlecht) das Bild einer verlorenen, ja degenerierten Gesellschaft, deren Reste sich tief in der Wüste verstecken. Von der einstigen Pracht sind lediglich Relikte geblieben, zumal die Vampyre ihr Reich auch noch mit anderen Rassen teilen müssen. Dass sich unser Erzähler dann nach seiner Erfahrung der echten Liebe zu seiner Adelsgespielin in einen Vampyr verliebt und hier im gleichgeschlechtlichen Liebesspiel Erfüllung findet, wirkt weder aufgesetzt noch unglaubwürdig. Als bekennender Homosexueller schildert Clegg uns die Beziehung ohne falschen Pathos aber auch ohne Scham.

Insgesamt lässt der erste Teil einer Trilogie, der Blutsauger von ihrer animalische Seite zeigt und der den Leser verwöhnt mit einem überzeugenden Bild des Lebens zur damaligen Zeit, kaum Wünsche offen, abgesehen davon, dass der Leser leider erst im letzten Drittel des Romans mit der interessanten phantastischen Ausarbeitung des Vampir-Mythos konfrontiert wird.