Nadine Kühnemann: Feuersbrut (Buch)

Nadine Kühnemann
Feuersbrut
Koios, 2013, Taschenbuch, 646 Seiten, 14,40 EUR, ISBN 978-3-902837-07-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Die 1983 in Dinslaken geborene Nadine Kühnemann lebt und arbeitet auch heute noch als Laborantin im Fachbereich Transfusionsmedizin am Niederrhein und ist verheiratet. Nach ihrem Romanen um „Lichtfänger“ und „Fyn“ legt sie nun das nächste in sich geschlossene Werk, „Feuersbrut“, vor.

Auch wenn er der zweite Sohn des Königs ist und durchaus in die Lage kommen könnte, Ansprüche auf den Thron von Gûraz zu erheben, wird Lennian verachtet und geschmäht, hält man ihn doch aufgrund seiner seit der Jugend wiederkehrenden Visionen und Anfälle für wahnsinnig. Selbst die eigene Familie lässt ihn das mehr als einmal spüren. Da der junge Mann nicht weiß, was er sonst tun soll, erträgt er die Erniedrigungen und versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen. Doch als wieder einmal ein Mordanschlag auf ihn verübt wird und dieser fast gelingt, ergreift er die Chance, die ihm ein Unbekannter bietet und flieht aus dem goldenen Käfig, in dem er so lange gesperrt war.

Doch kann er dem wortkargen Ronyn überhaupt vertrauen? Der macht nicht mehr als Andeutungen und lässt Lennian selbst sehen, wie es mittlerweile um sein Land und die Nachbarreiche steht. Denn eine unbekannte Macht verbreitet Schrecken und Tod. Krieg, Vergewaltigung, Zerstörungen und Plünderungen sind in manchen Regionen an der Tagesordnung. Doch was kann der ehemalige Prinz dagegen unternehmen? Ist wirklich etwas dran an den Behauptungen, dass die Gaben, die seine Visionen und Anfälle verursachen, mächtige Magie ermöglichen? Gehört er zu den wenigen, die den Feinden Einhalt gebieten können?

Schon bald sieht sich Lennian in einem Netz aus Lügen und Intrigen gefangen, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Und warum fühlt er eine seltsame Nähe zu dem Mädchen Nima, dass wie er ein Flüchtling ist, wenn auch aus ganz anderen Gründen?

„Feuersbrut“ ist zwar episch angelegt, konzentriert sich aber auf die Personen. In mehreren Handlungsebenen, die die Autorin zum Ende hin zusammenführt, erfährt man mehr über die Situation im Land, die Bedrohung, die langsam aber sicher immer mehr Raum einnimmt, und die Auswirkung auf die einfachen Menschen. Dabei nimmt Nadine Kühnemann sich Zeit, die Charaktere aufzubauen. Vor allem Nima und Lennian werden durch die ausführliche Beschreibung von Stärken und Schwächen – aber auch ihrer Vorgeschichte – sehr lebendig, so dass man ihren Erlebnissen mit sehr viel mehr Spannung folgt als anderen Entwicklungen. Denn trotz aller Bemühungen bleibt der Hintergrund doch eher schwammig. Man erfährt zwar, dass es zwei unterschiedliche Menschenrassen gibt – die Kaleri können mehrere hundert Jahre alt werden, die Khaari besitzen nur eine „normale“ Lebensspanne –, und kurze Einschübe vor den Kapiteln geben einen Einblick in die Geschichte der Länder oder stellen verschiedene Orte beziehungsweise Konflikte in wenigen Sätzen vor, aber besondere Auswirkungen hat das nicht auf die Heldenreise des verachteten und unterschätzten Prinzen, der eigentlich nur nach seiner Bestimmung sucht und dabei mehr über sich und seine Heimat lernt.

Dies trifft auch auf den Feind zu, der bis zum Ende hin eher schattenhaft bleibt und auch dann nur große Reden und seine magischen Kräfte ausspielen darf. Der Showdown, auf den die Autorin so lange hinarbeitet, ist in sehr wenigen Seiten abgehandelt und wirkt durch und durch oberflächlich. Hier bemüht die Autorin leider nur die gängigen Klischees, so dass sich die über hunderte von Seiten aufgebaute Spannung leider im Nu verliert. Immerhin bleibt sie in den weiteren Entwicklungen konsequent.

Alles in allem ist der Roman flott geschrieben und über weite Strecken recht unterhaltsam, weil sie kleinen Episoden sehr lebendig erzählt werden. Nur am Ende verliert sich der gute Eindruck etwas aus den oben genannten Gründen.

„Feuersbrut“ sei daher all jenen empfohlen, für die der Weg das Ziel ist; eine spannende Geschichte mit lebendigen Figuren auf einer immer wieder überraschenden Reise zu ihrer Bestimmung zu erleben, aber dann auch hinzunehmen, dass der Hintergrund und die Feinde schwammig bleiben, weil der Roman seinen Fokus auf die beiden Hauptcharaktere legt und nicht auf die epische Geschichte selbst.