Juliane Seidel: Die vergessenen Kinder (Buch)

Juliane Seidel
Die vergessenen Kinder
Assjah 2
Titelbild und Illustrationen: Tanja Meurer
Bookshouse, 2013, Taschenbuch, 298 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 9789963722457 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

„Die vergessenen Kinder“ ist die direkte Fortsetzung zu „Die lebenden Träume“ und wie die Autorin Juliane Seidel nun verrät, der zweite Teil des Originalmanuskripts von „Assjah“. Deshalb sollte man besser das erste Buch kennen, um diesen Roman wirklich genießen zu können, auch wenn er weitestgehend in sich geschlossen ist.

Nach den turbulenten Erlebnissen, die dem zehnjährigen Kim erst das volle Ausmaß seiner Kräfte bewusst gemacht und in Berührung mit seinen Traumwelten gebracht hat, nachdem er in einem zerfallenden Haus einen besonderen Spiegel fand, könnte sich der Junge jetzt eigentlich erholen, denn die Sommerferien stehen vor der Tür. Doch alarmierende Dinge ereignen sich. In der Umgebung verschwinden innerhalb kürzester Zeit mehrere Kinder. Durch das Schicksal einer vollkommen verängstigten Schulkameradin beginnt Kim zu ahnen, dass die Namaren, die Schattenwesen, die er noch vor Kurzem mit all seiner Kraft und Phantasie bekämpft hat, zurückgekehrt sind – ein Traum gibt ihm Gewissheit.

Und dann kommt auch noch die Begegnung mit der weißhaarigen Elisa dazu. Warum kann das Mädchen niemand sehen außer ihm? Hängt das mit der weißen Strähne zusammen, die er selbst seit der letzten Begegnung mit den Namaren in seinem Haar hat? Kim geht der Sache nach und lernt so die vergessenen Kinder kennen – genau die Jungen und Mädchen, die die Polizei so verzweifelt sucht. Er beginnt zu ahnen, dass ihr Schicksal mit seinen letzten Abenteuern zusammenhängt. Zusammen mit seinen Traumfreunden Silberfünkchen, Goldlöckchen, Annatar und Finn versucht er zu ergründen, was die Namaren getan haben. Doch um Antworten zu finden, muss er tiefer denn je in seine eigenen Träume eintauchen und sich den dortigen Gefahren stellen.

„Die vergessenen Kinder“ schließt mehr oder weniger direkt an „Die lebenden Träume“ an, denn nun muss Kim erkennen, dass sein Sieg auch Schattenseiten hat und er durch seine Fähigkeiten – so gut er es auch meinem mag – eine besondere Verantwortung trägt. Deshalb trifft es ihn auch schwer, als er die Wahrheit erkennen muss und setzt alles daran, das Schicksal der unschuldigen Jugendlichen und Kinder zu verändern. Doch kann er wirklich Hilfe und Unterstützung bei denen suchen, die er im ersten Band noch so energisch bekämpft hat? Und sind Gut und Böse wirklich so leicht voneinander zu unterscheiden, wie er glaubte? Kim wagt den Schritt und wächst so an seinen Erlebnissen und Erfahrungen.

Dies setzt Juliane Seidel auch diesmal wieder sehr phantasievoll in Szene und entführt die Leser in weitere Bereiche von Kims Traumwelten. Dort konzentriert sie sich nicht nur auf die exotisch-orientalische Umgebung, sondern spinnt auch den Hintergrund weiter, der nun mit so mancher überraschenden Wendung aufwartet. Da die Handlung dennoch überschaubar bleibt, können junge wie erfahrene Leser gleichermaßen ihren Spaß haben und die neuen Abenteuer unbeschwert genießen.

Die Figuren sind wieder liebevoll ausgearbeitet. Kim ist gegenüber dem ersten Band wesentlich verantwortungsvoller und erwachsener, bekommt mit Elisa eine Begleiterin an die Seite gestellt, die ihren eigenen Kopf hat und auch manchmal den seinen zurechtrückt. Auch die Freunde aus der Traumwelt dürfen weitere Facetten ihres Wesens enthüllen, auch wenn in erster Linie nur Annatar eine größere Entwicklung durchmacht und längst nicht mehr so ängstlich ist wie am Anfang.

Auch dieser Band ist in sich geschlossen. Ein Hintertürchen bleibt natürlich offen – aber es ist nicht so groß, dass man unzufrieden ist. Dennoch macht es Lust darauf, mehr über Kim und seine Traumwelten, die Namaren und den Feind zu erfahren, dem sich der Junge erstmals stellen musste.

„Die vergessenen Kinder“ erweist sich so als gelungene Fortsetzung von „Die vergessenen Träume. Die liebenswert sympathischen Helden um Kim dürfen spannende Abenteuer erleben, in denen sie einmal mehr lernen, wie wichtig es ist, zusammenzuarbeiten und zu seinen Fehlern zu stehen, daraus Verantwortung zu übernehmen und alles zu tun, damit andere nicht darunter leiden müssen.