Rick Yancey: Die 5. Welle (Buch)

Rick Yancey
Die 5. Welle
(The Fifth Wave, 2013)
Ins Deutsche übertragen von Thomas Bauer
Goldmann, 2014, Hardcover, 480 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-442-31334-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

Nachdem der US-amerikanische Autor Rick Yancey hierzulande mit seiner extrem packenden Serie um den Monstrumologen bereits für Aufsehen sorgte, erscheint nun der erste Teil einer neuen Serie, der in den USA zum Bestseller geworden ist.

In „“Die 5. Welle“ schildert der Autor die Ankunft eines gigantischen außerirdischen Raumschiffs im Erdorbit. Doch leider bleiben die Aliens stumm. Jeder Versuch einer Kontaktaufnahme wird ignoriert, was bei der Menschheit für immer größeres Unbehagen sorgt und Ängste auslöst. Völlig zu Recht, wie sich bald zeigt, denn in verschiedenen Wellen beginnt die Ausrottung des Homo sapiens.

Nach einem weltweiten elektromagnetischen Impuls (EMP), der alle Elektronik lahmlegt, verursachen die Fremden gigantische Tsunami-Wellen, welche unzählige Menschenleben kosten. Als dann in der dritten Angriffswelle auch noch ein tödliches Virus mit einer extrem hohen Mortalitätsrate auftaucht, ist klar, dass die Besucher den Planeten alleine für sich wollen und begonnen haben, die Erde menschenleer zu fegen. Der Homo sapiens wird offenbar als Ungeziefer betrachtet.

Umso erschreckender für die Menschheit, als man entdecken muss, dass in der vierten Welle Menschen auftauchen, die beginnen, ihre Landsleute zu killen. Die sogenannten „Silencer“ sind psychisch von den Invasoren infiltrierte Menschen, die sich auf die Jagd nach ihren Artgenossen begeben und alle umbringen, derer sie habhaft werden können.

Der Autor erzählt die Geschichte aus Sicht zweier 16jähriger US-amerikanischer Teenager, nämlich der Schulkameraden Cassie (was eine Abkürzung von Cassiopeia darstellt) und Ben, des Footballstars und Schönlings, den Cassie heimlich anhimmelt. Diese erleben die deprimierende, sie völlig hilflos machende Dezimierung um sich herum, sehen ihrer Familie beim Sterben zu und versuchen, sich an die letzten Überlebenden zu klammern, so lange es noch geht. Und während Ben alias Zombie im nahegelegenen militärische Stützpunkt scheinbar gegen den aussichtslosen Kampf brutal gedrillt wird, begreift Cassie immer mehr, dass man fast niemandem mehr trauen kann, schon gar nicht den seltsamen Soldaten aus dem Stützpunkt. Die Menschheit scheint verloren...

Dies wäre natürlich so weit kaum eine verkaufbare Geschichte, denn natürlich müssen die heldenhaften Jugendlichen irgendwann die Kontrolle über die irrsinnige Situation (zumindest annähernd) zurückgewinnen. Hier gelingt dem Autor im zweiten Teil des Buchs eine recht geschickte Wendung; mehr soll hier aber nicht verraten werden...

Denn Yancey schafft es, den fast 500 Seiten einen eleganten Spannungsbogen abzugewinnen, welcher beim Leser für fast dauerhaften Nervenkitzel sorgt. Nur die zu langen und viel zu US-amerikanischen Drillszenen in der Mitte der Erzählung fallen dabei leider deutlich ab und nerven.

Der ständige Perspektivwechsel zwischen Cassie und Ben sorgt nicht nur für Abwechslung, dem Leser erschließen sich auch verschiedene Aspekte und damit wichtige Informationen über die unheimliche Invasion. Vor allem die glaubhaften Charaktere, typisch auch für alle anderen bisher in Deutschland veröffentlichen Werke des Autors, bleiben beim Leser haften und laden zur Identifikation ein.

Darüber liegt der unauffällige, aber äußerst geschmeidige Stil des Autors, welcher die vorliegende Geschichte zu einer rasanten Irrfahrt durch eine entgleiste Welt werden lässt, deren Visualisierung dem phantasiebegabten Leser keine Probleme bereiten dürfte. Der Autor erschafft dabei Bilder, die man nicht so schnell vergessen dürfte.

Gewisse literarische Vorläufer lassen sich hier sicherlich nicht leugnen. So erinnert die Geschichte natürlich stark an Stephen Kings Epos „The Stand – Das letzte Gefecht“, aber auch die interessanten SF-Romane „The Genocides“ (dt. „Die Feuerteufel“) von Thomas M. Disch oder „Of Men and Monsters“ (dt. „Von Menschen und Monstren“) von William Tenn (der wiederum eine Art Prolog zu F. L. Wallace’ genialer und berühmter aber älterer Story „Big Ancestor“, dt. u. a. in „Titan“ 21, darstellt) fallen einem hierzu vielleicht ein, wenn man sich im Genre auskennt. Auch Anklänge an den wunderbaren französischen SF-Zeichentrickfilm „Le planet sauvage“ (dt. als „Der phantastische Planet“), in dem die Menschen zu Haustieren von Aliens herab degradiert werden, dürften sich bei erfahrenen Genre-Kennern einstellen, oder Assoziationen an die tolle Serie um die dreibeinigen Monster („The Tripods“) von John Christopher. Für jüngere Leser sicherlich böhmische Dörfer, sie werden hier erstmals mit einem Thema konfrontiert, welches genau das bedient, was die US-amerikanische Volksseele am stärksten auszuzeichnen scheint: nämlich Paranoia, also krankhaftes Misstrauen.

Aber dafür gelingt Rick Yancey, trotz des klischeehaften Themas, ein äußerst mitreißender Roman, der den Leser mit Haut und Haaren packt.

Auf die Fortsetzung der Handlung darf man gespannt sein, ganz in der Hoffnung, dass sie nicht allzu heldenhaft und allzu US-amerikanisch werden müsste, damit ein Funken Glaubhaftigkeit erhalten bleiben kann, denn ein allzu absehbares Happy End kann vielen Lesern schon mal den Lesegenuss verhageln.