Grimm Fairy Tales 2 (Comic)

Joe Tyler und Ralph Tedesco
Grimm Fairy Tales 1
(Grimm Fairy Tales Vol. 2, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelbild und Innenillustrationen von Julio Caesar, Tommy Castillo, Chris Moreno u.a.
Panini, 2014, Paperback, 148 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-86201-810-9

Von Christel Scheja

Mittlerweile ist bekannt, wie sehr die Gebrüder Grimm ihre in Deutschland gesammelten Märchen vereinfacht, verharmlost und moralisiert haben. Je mehr Forscher die ursprünglichen Versionen ausgraben, desto mehr Spaß haben heutige Autoren, ihre eigenen Versionen hinzuzufügen. Vor allem die Künstler um Joe Tyler und Ralph Tedesco haben sich in der Comic-Szene einen Namen mit den oft sehr blutigen Interpretationen der vermeintlichen „Kindergeschichten“ gemacht. Nun präsentiert der zweite Band der „Grimm Fairy Tales“ weitere Variationen bekannter Geschichten.

Eine Mutter kümmert sich liebevoll um ihre seit Monaten schwerkranke Tochter, obwohl diese nicht das leibliche Kind ist. Auch die Gabe einer netten Lehrerin scheint ganz harmlos zu sein … aber ausgerechnet das besonders empfohlene „Schneewittchen“ bringt die grausame Wahrheit ans Licht...
„Jack und die Bohnenranke“ nimmt im Märchen kein gutes Ende, aber unter Umständen kann es für einen jungen Mann, der am Ende ist, der Anstoß für einen Neubeginn sein. Dafür unterschätzt eine junge Blondine, dass nicht jedes Märchen ein gutes Ende hat, wenn man die daraus resultierende Macht missbraucht. Auch der „Froschkönig“ enthält eine unterschwellige Moral, die man nur richtig lesen und verstehen muss. Auch wenn man eigentlich als High-School-Schüler genug Verstand haben müsste.
Ein Mädchen hat das Gefühl, dass sie ihr Freund betrügt. Gerade deswegen nimmt sie die in „Blaubart“ enthaltenen Ratschläge sehr ernst. Doch manchmal sollte man Märchen auch bis zum Ende lesen, wenn man die wahre Aussage erkennen will.

Dies sind nur einige der uminterpretierten bösen Geschichten, die von den unterschiedlichsten Künstlern in Szene gesetzt werden. So gleich der Tenor durch die Autoren sein mag, die Bilder schwanken qualitativ doch sehr stark und nicht jede Geschichte kann graphisch wirklich überzeugen.

Inhaltlich bieten die Erzählungen solide Standardkost. Man ahnt meist schon, wie alles ausgehen wird und liegt damit auch nicht falsch – interessant sind nur manchmal die Details, die Wege zum Ziel. Die Handlung ist meistens sehr simpel gestrickt und winkt am Ende mit einer passenden Moral.

Was aber stimmt ist die Atmosphäre. Die meisten Künstler treffen auch in ihren Bildern den bösen Ton der Autoren, erzeugen eine düstere romantisch-neogothische Stimmung und lassen doch keinen Hehl daran, dass jeder das verdient, was er am Ende des Märchens bekommt. Auch mit der Fleischbeschau halten sich die Zeichner zurück; zwar sind viele der Frauen körperbetont gekleidet, aber dennoch passen die Kostüme in die Zeit und versuchen nicht krampfhaft erotisch zu wirken.

Alles in allem dürften sich auch hier wieder Fans düsterer Märchen-Interpretationen, die auch gegen Horror nichts einzuwenden haben, besonders wohlfühlen, zumal man wie beim ersten Band keinerlei Vorkenntnisse braucht, um die grobe Rahmenhandlung zu verstehen.

Damit bietet auch die zweite Sammlung der „Grimm Fairy Tales“ solide und kurzweilige Unterhaltung aus der Feder der Macher der „Wonderland“-Saga. Man sollte allerdings von den mit Horror-Elementen aufgepeppten Märchen-Interpretationen für Erwachsene nicht unbedingt Tiefgang oder viele Überraschungen erwarten.