Der Wind in den Weiden (Comic)

Michel Plessix
Der Wind in den Weiden
(Le vent dans les saules)
Nach dem Roman von Kenneth Grahame
Übersetzung: Harald Sachse
toonfish, 2013, Hardcover, 128 Seiten, 29,80 EUR, ISBN 978-3-86869-696-7

Von Frank Drehmel

Kenneth Grahams poetische Geschichte um den Maulwurf, die Ratte, den Dachs, den Kröterich und viele andere liebevoll gezeichnete Charaktere, gehört seit ihrem Erscheinen im Jahre 1908 zu den großen Kinderbuch-Klassikern der englischen Literatur. Splitter veröffentlicht nun unter seinem toonfish-Imprint die auf dem Roman basierende vierteilige Comic-Serie des französischen Künstlers Michel Plessix aus den Jahren 1997 bis 2001, deren deutsche Übersetzung ehedem bei Carlsen erschienen ist und 2000 den Max-und-Moritz-Preis als bestes Kinder- und Jugendcomic erhielt, neu und in einem einzigen Sammelband.

Am Flussufer hat mild der Frühling Einzug gehalten und lässt die Natur erwachen. Für den Maulwurf bedeutet dieses Ereignis, dass er eigentlich in einem großen Frühjahrsputz sein Heim vom Staub und Schmutz des Winters befreien muss; doch die Luft ist zu lau und die Sonne zu verlockend, als dass es ihn in seinen vier Wänden hält. Und so wandert er zum Ufer des großen Flusses, wo er einer quirligen Wasserratte begegnet, mit der er sich sogleich anfreundet und die ihn schon bald mit weiteren Kameraden bekanntmacht, mit dem Otter, dem egozentrischen, obsessiv von Technik und Geschwindigkeit besessenen, steinreichen Kröterich oder dem nur auf den ersten Blick griesgrämigen Dachs.

Vom Wunsch getrieben, Letzteren näher kennenzulernen, wagt sich der neugierige Maulwurf eines Tages in den wilden Wald, in dem der Dachs seinen Bau hat. Es kommt, wie es kommen muss: der in Ausflügen und Wanderungen unerfahrene Held verirrt sich in dem unwirtlichen, düsteren Gebiet, wird jedoch kurz darauf von Ratte „gerettet“, sodass sie gemeinsam den altem Grimbart aufsuchen, um mit ihm über das Leben zu philosophieren und insbesondere über die Obsessionen des Kröterichs zu tratschen, der sich mittlerweile in der Stadt ein Automobil bestellt hat.

Die Jahreszeiten gehen ins Land, auf den Winter folgt erneut der Frühling: eingedenk der Überlegungen, die sie vor Monaten über Kröterichs zerstörerische Besessenheit angestellt hatten, statten Dachs, Ratte und Maulwurf dem renitenten Freund auf seinem Anwesen einen Besuch ab, um ihn vom Automobil-Verzicht und von einer Geschwindigkeits-Abstinenz zu überzeugen. Da ihre Argumente bei dem Technikbesessenen auf taube Ohren stoßen, sperren sie Kröterich in seinem Zimmer im ersten Stock des riesigen Hauses. Der Gefangene kann jedoch fliehen, schleicht sich in die Stadt, wo er nicht nur ein Auto stiehlt, sondern auch noch in anderer Hinsicht so über die Stränge schlägt, dass ihm der Ausflug 20 Jahre Gefängnis in einer klammen, dunklen Zelle einbringt.

Mit der im Original vierbändigen Comic-Adaption vom Grahams KinderbuchLlassiker ist Michel Plessix ein wahres Meisterwerk gelungen. Zum einen fängt er in den Texten die emotionale Wärme, die tiefe Menschlichkeit, die Liebe zu Natur und zu den Mitgeschöpfen sowie die unaufdringlichen Mahnungen, dass Besitz und Technik nicht notwendigerweise glücklich machen, der Roman-Vorlage ein, zum anderen spiegeln sich diese Aspekte im Artwork nahezu perfekt wider.

Plessix' im klassischen Panel-Layout angeordnete Zeichnung sind im Duktus hauchzart und voller kleiner, skurriler Details. Die Physiognomien, die Mimiken und die Körpersprache der anthropomorphen Protagonisten sind so liebevoll markant und einzigartig gestaltet, dass sie das Wesen, den Charakter der Figuren, trefflich einfangen. Die pittoresken Landschaften, der Wechsel der Jahreszeiten, die heimeligen Interieurs und Behausungen sind nicht zuletzt wegen der einerseits kraftvoll-farbigen, andererseits weich aquarellierenden Koloration mit viel emotionaler Wärme und geradezu zeitloser Romantik aufgeladen, die zumindest mich an die von Ida Bohatta illustrierten Bilderbücher meiner Kindheit erinnern, die stilistisch zwar signifikant anders sind, aber die gleiche Wärme, den gleichen Sense of Wonder ausstrahlen.

Fazit: Die nicht nur künstlerisch bezaubernde und verzaubernde Comic-Adaption eines wundervollen Kinderbuchs. Zu Recht preisgekrönt!