Sabina Frank (Hrsg.):Als die Götter Mensch waren – Eine Anthologie altorientalischer Literatur (Buch

Sabina Franke (Hrsg.)
Als die Götter Mensch waren – Eine Anthologie altorientalischer Literatur
Aus diversen altorientalischen Sprachen von verschiedenen Übersetzern
Titelgestaltung von Katja Holst
Verlag Philipp von Zabern, 2013, Hardcover, 128 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-8053-4681-8

Von Irene Salzmann

Schon immer faszinierten Mythen, Sagen, Märchen und Legenden kleine und große Zuhörer beziehungsweise Leser. Einige kennt praktisch jeder, da sie dem Publikum als unterhaltsamer Prosa-Text zugänglich gemacht wurden wie zum Beispiel die „Sagen des klassischen Altertums“ von Gustav Schwab, in denen man unter anderem die „Ilias“ und „Odyssee“ findet. Aber auch von der „Edda“ und dem „Siegfried“-Lied existieren entsprechende Adaptionen, nicht zuletzt dank der Wagner-Opern, den Verfilmungen von Fritz Lang, etlichen Fantasy- und Comic-Büchern. Die Dichtungen, die mit dem keltischen „Artus“-Mythos verknüpft wurden, begründeten sogar ein eigenes Franchise mit Filmen, Romanen und Comics.

Je exotischer jedoch der Stoff wird, umso schwieriger ist es, Informationen oder gar Aufbereitungen im Roman-Format zu finden. Das gilt bereits für die Mythen der Ägypter … und eigentlich den Rest der Welt, von einigen länderspezifischen Märchen-Sammlungen (Fischer Verlag, Insel Verlag etc.) einmal abgesehen. Vor allem jene Zeit, aus der die ersten schriftlichen Überlieferungen stammen, und damit auch dieser Kulturkreis – Mesopotamien (Uruk-Zeit, ab 4000 v. Chr.: Piktogramme, aus denen sich die sumerische Keilschrift entwickelte) – stellt diesbezüglich einen nahezu weißen Fleck dar. Der „Gilgamesch“-Epos (der älteste bekannte Epos der Welt, in Keilschrift aus dem 3. Jahrtausend v. Chr.) ist zwar jedem ein Begriff (Roman-Fassungen zum Beispiel von Thomas Mielke), aber was kennt der Leser sonst?

Sabina Franke konnte mehrere Altorientalisten, Philologen und Archäologen dazu bewegen, einige historisch-mythische Texte ins Deutsche zu übertragen und sie somit auch Laien zugänglich zu machen, die die jeweiligen Sprachen nicht studiert haben, sich aber für die Kulturen Mesopotamiens (Sumerer, Akkader, Babylonier, Assyrer und so weiter) und ihre Sagen interessieren. Natürlich findet man auch einen Auszug aus dem „Gilgamesch“-Epos, der Geschichte jenes nicht historisch belegten Königs von Uruk und seines Freundes Enkidu, aber noch so vieles anderes mehr:

In dem Titel gebenden „Als die Götter Menschen waren“ wird erzählt, wie die Götter über die schwere Arbeit klagten, bis die Menschen geschaffen wurden, die nun all die Mühen auf sich nehmen mussten. Ihr Lärmen störte den Gott Enlil, der sie daraufhin auf mannigfaltige Weise auslöschen wollte, doch der Gott Enki vereitelte all diese Pläne und warnte seinen Günstling auch vor der Sintflut.
„Die Rache eines armen Mannes aus Nippur“ trifft den Bürgermeister, der den Armen äußerst übel mitgespielt hat. Durch die Hilfe des Königs und die eigene Gewitztheit straft er den Bürgermeister drei Mal, ohne dass dieser seinen Feind erkennt.
Die Impressionen „Aus dem Leben eines Schülers“ sind zeitlos. Schon damals wären die Kinder lieber spielen als in den Unterricht gegangen, hätten sich gern interessantes und abwechslungsreiches Wissen angeeignet, statt in eine bestimmte Richtung gedrillt zu werden. Zog sich der Schüler den Unmut des Lehrers zu, drohte gar der Rauswurf, musste es der Vater wieder richten, und je größer die Spende, umso mehr Lob gab es plötzlich für den kritisierten Jungen.

Leider gibt es nur sehr wenige erhaltene Quellen, und vieles davon ist bloß in Bruchstücken vorhanden. Man findet in dem vorliegenden Buch auch Lieder, Berichte, Dialoge und so weiter. Die Übersetzer legten großen Wert darauf, kenntlich zu machen, welche Passagen vorliegen und sich übersetzen ließen, was rekonstruiert (kursiv) oder zum besseren Verständnis ergänzt (in Klammer) wurde. Wo das nicht möglich war, wurden fehlende Teile durch „…“ angezeigt.

Auch diese Präzision macht die Lektüre, die mit viel Unbekanntem aufwartet und versucht, einen kleinen Eindruck vom Leben der Menschen in Mesopotamien zu vermitteln, sehr spannend. Ferner findet man schon damals die Zahlensymbolik (zum Beispiel drei Strafen für den Bürgermeister; drei Plagen, bevor die Sintflut nahezu alles Leben tilgt), die man aus vielen späteren Religionen und den Märchen kennt. Auch bestimmte Motive, die in praktisch allen Mythen, egal welcher Kulturkreis, auftauchen, lassen sich feststellen wie die Schöpfung des Menschen und die Sintflut („Bibel“), der Versuch, einen geliebten Toten aus der Unterwelt zu holen („Orpheus“) etc.

„Als die Götter Mensch waren“ ist ein sehr schönes Buch nicht allein für Fachkreise, sondern auch für alle interessierten Laien, die sich mit den Kulturen Mesopotamiens und ihren Mythen befassen beziehungsweise für all jene, die mehr über die Glaubenswelten und Sagen von Völkern erfahren wollen, von denen bloß wenige schriftliche Überlieferungen vorliegen und die bedauerlicherweise weniger populär sind als Griechen, Römer, Kelten und Germanen.

Eine sehr empfehlenswerte Lektüre!