Patrick Rothfuss: Der Name des Windes – Die Königsmörder-Chronik 1(Hörbuch)

Patrick Rothfuss
Der Name des Windes
Die Königsmörder-Chronik 1
(The Name of the Wind, The Kingkiller Chronicle: Day One, 2007)
Aus dem Amerikanischen von Jochen Schwarzer
Übersetzung der Gedichte und Lieder von Hans-Ulrich Möhring
Vollständige Lesung von Stefan Kaminski
Titelgestaltung von HildenDesign unter Verwendung einer Illustration von Kerem Beyit
Hörverlag, 2012, 4 CDs, ca. 1689 Minuten, ca. 17,95 EUR, ISBN 978-3-86717-357-5

Von Irene Salzmann

Rahmenhandlung: In einem abgelegenen Dorf, wo sie ein Gasthaus aufgemacht haben, wollen Kote und sein Schüler Bast zur Ruhe kommen.

Doch schon bald mehren sich besorgniserregende Geschehnisse, und ein Chronist taucht auf, der Kotes wahren Namen kennt und seine Geschichte aufschreiben möchte: die des Magiers, Wissenschaftler, Musikers und Sängers Kvothe. Dieser ist zunächst alles andere als erfreut über diese Bitte, erklärt sich dann jedoch bereit, den Wunsch des Gastes zu erfüllen.

Die Geschichte: Kvothe wird als Sohn fahrender Spielleute geboren und beweist schon sehr früh Talent auf vielen Gebieten. Seine unbeschwerte Kindheit nimmt ein abruptes Ende, als die sagenhaften Chandrian seine Sippe ermorden. Daraufhin schlägt sich Kvothe erst in den Wäldern, später in den gefährlichen Gassen einer Stadt durch, bis er endlich ein Ziel findet: die Aufnahme an der Universität für Hohe Magie. Er wird als jüngster Student aller Zeiten aufgenommen, macht sich durch seine rasche Auffassungsgabe jedoch viele Feinde unter den Meistern und Kommilitonen. Mehr als einmal droht ihm der Rauswurf, weil er von seinen Gegnern hereingelegt wurde und ihn die anschließenden Revanchen noch tiefer in den Schlamassel hineinreiten. Eine der schlimmsten Strafen ist das Hausverbot für die Bibliothek, in der er Informationen über die Chandrian sammeln will, um seine Sippe eines Tages zu rächen. Außerdem verliebt sich Kvothe, ohne sich seiner Gefühle für die unstete, geheimnisvolle, von Männern umschwärmte Denna wirklich bewusst zu sein. Tief in seinem Innern ahnt er, dass er ihre Freundschaft in dem Moment verlieren würde, indem er versucht, mehr zu sein als ein guter Kamerad und Weggefährte auf Zeit.

„Der Name des Windes“ liegt nun als Hörbuch und erfreulicherweise in ungekürzter Lesung vor. Für den Vortrag konnte der Hörverlag Stefan Kaminski – unter anderem Andreas Eschbach: „Black Out“, L. Frank Baum: „Der Zauberer von Oz“, Terry Patchett: „Sand“ – gewinnen. Die Lesung beruht auf dem bei der Hobbit Presse erschienenen High-Fantasy-Roman gleichen Titels, einem Werk mit über 860 Seiten, so dass man sich nicht wundert, dass das Hörbuch im MP3-Format erschienen ist, um den kompletten Inhalt zu einem angenehmen Preis anbieten zu können.

„Der Name des Windes“ ist ein extrem ausführlich erzähltes Buch. Der Autor nimmt sich sehr viel Zeit, um eine Rahmenhandlung aufzubauen, die die Rückblenden hin und wieder durch wesentliche Entwicklungen unterbricht. In der Rahmenhandlung lernt der Leser beziehungsweise Hörer Kote alias Kvothe als erwachsenen, vom Leben gezeichneten Mann kennen, der seine Vergangenheit hinter sich lassen will. Man ahnt, dass ihm das nicht gelingen wird, doch was auf ihn zukommt, werden erst die späteren Bände enthüllen.

Die Geschichte in der Geschichte widmet sich Kvothes Kindheit und Jugend. Auf das relativ unbeschwerte Leben inmitten einer intakten Familie folgen die entbehrungsreichen Jahre als Bettler und Dieb. Aber auch als Student bleibt er ein Getriebener, denn seine Feinde werden nicht müde, ihn zu diskreditieren, so dass er sich im Rahmen eng gesteckter Möglichkeiten ständig zur Wehr setzen muss. Dadurch und auch aufgrund seiner finanziellen Situation – Kvothe muss sich schließlich an eine gefährliche Wucherin wenden – droht ihm permanent die Verbannung von der Universität, und er schwebt ständig in Lebensgefahr. Hinzu kommt seine Sehnsucht nach Denna, die regelmäßig verschwindet und ihn in Sorge zurücklässt. Nicht in Vergessenheit gerät die Suche nach der Wahrheit über die Chandrian, die fast jeder als Mythos abtut, doch keiner will über sie reden, nicht einmal ihren Namen aussprechen. Und wer es wagt, stirbt in einem blauen Feuer – wie Kvothes Sippe.

Egal ob es sich um ruhige Passagen handelt, beispielsweise die Freundschaften, die die Hauptfigur knüpft, die kleinen Wettstreite unter den Musikern und Sängern, die Prüfungen an der Universität, sie werden genauso detailreich beschrieben wir die spannenderen Momente, in denen Kvothe zum Beispiel den Mördern seiner Angehörigen gegenübersteht, sich gegen skrupellose Bettelkinder und Wächter verteidigen muss, er von seinem verhassten Kommilitonen Ambrose bei den Meistern angezeigt wird.

Häufig werden weitere Geschichten eingeflochten, die jemand erzählt, so dass man auf mannigfaltige Weise ein rundes Bild von Kvothes Welt, dem Leben der Menschen, ihren Märchen und Sagen, ihrem Glaube und ihren Sorgen erhält. Nebenbei werden kleine Hinweise zur Natur der Chandrian eingestreut, die auf Spekulationen, Mythen und falschen oder zensierten Schriften beruhen. Wie man weiß, sind diese übermächtigen Wesen keineswegs Spukgestalten, wie die Mehrheit behauptet oder hoffen möchte.

Folglich wechseln sich informative mit spannenden, heitere mit tragischen Momenten ab, und man muss viel Geduld mitbringen, da dieser erste Teil nur sehr wenige Fragen beantwortet. Tatsächlich geht es vor allem darum, wie Kvothe zu dem wurde, den man „den Königsmörder“ nennt und später zum Gastwirt – und erst dann wird sich wohl sein weiteres Schicksal erfüllen.

Dass das Hörbuch trotz seiner Ausführlichkeit keinen Augenblick langweilig ist, hat es dem grandiosen Vortrag von Stefan Kaminski zu verdanken. Ob er nun den narrativen Text oder die Dialoge spricht, für alles und jeden hat er eine eigene Stimme. Er verändert Tonfall, Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit und Rhythmus je nach Charakter – man kann sagen, er lebt die jeweiligen Rollen. Auch die weiblichen Figuren stellt er überzeugend dar.

Als Hörer kann man es sich auf dem Sofa bequem machen, die Augen schließen und die Protagonisten und ihre Abenteuer im Kopfkino lebendig werden lassen. Eine meisterhafte Lesung, wie man sie selten geboten bekommt!

Schätzt man epische Erzählungen und kann sich mit einer Weitschweifigkeit arrangieren, die selbst die von J. R. R. Tolkien („Das Silmarillion“) und George R. R. Martin („Das Lied von Eis und Feuer“) übertrifft, wird man von „Der Name des Windes“ fasziniert sein. Wünscht man sich hingegen mehr Action und das der Autor auf den Punkt kommt, wird man über einige Längen stöhnen. Auch ist Kvothe nicht der durchschnittliche ‚Normal-Held‘, mit dem man sich leicht identifiziert, da er mit all seinen Superlativen aus der Masse herausragt und bloß gelegentlich über die eigene Arroganz stolpert.

Weiß man, worauf man sich einlässt, und kann man sich mit den Punkten anfreunden, die von einigen als Manko angesehen werden, wird man nicht enttäuscht – nicht vom Roman und erst recht nicht vom Hörbuch.