Gray, Claudia: Evernight (Buch)

Claudia Gray
Evernight
(Evernight)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Marianne Schmidt
Titelillustration von Antonio Conte
Penhaligon, 2009, Hardcover, 382 Seiten, 18,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3034-7

Irene Salzmann

Bianca Olivier ist alles andere als glücklich darüber, dass die Eltern sie auf das Elite-Internat Evernight schicken, in dem sie selber eine Anstellung als Lehrer gefunden haben. Von dem alten Gebäude geht etwas Bedrohliches aus. Die neuen Mitschüler sind zu schön, zu klug und zu perfekt für ihren Geschmack, und es fällt ihr schwer, Anschluss zu finden.
Allein mit den Außenseitern Lucas, Vic und Raquel freundet sich Bianca an. Während Vic immer lustig ist, vermeinen auch die anderen beiden, etwas Unheimliches zu fühlen. Raquel hat richtig Angst, vor allem vor dem aufdringlichen Erich, und Lucas warnt Bianca sogar, dass sie vorsichtig sein soll. Als er das Verhalten ihrer Eltern infrage stellt, treibt das einen Keil zwischen die beiden.

Der freundliche Balthazar bemüht sich dafür umso mehr um Bianca und wird ihr Begleiter auf dem Schulball. Allerdings kann sie Lucas nicht vergessen, und Balthazar zieht sich verständnisvoll zurück. Als sich Bianca mit Lucas auszusprechen versucht und sie einander ihre Liebe gestehen, kann sie sich nicht mehr zurückhalten und – beißt Lucas in die Kehle, um sein Blut zu trinken.
Bianca, eine der wenigen gebürtigen Vampire, wird erwachsen und steht unmittelbar vor ihrer Wandlung. Der Vorfall wird vertuscht, denn Lucas kann sich glücklicherweise an nichts erinnern. Obwohl Bianca ihn nur ungern belügt, ist ihr klar, dass sie das Geheimnis – Evernight ist eine Schule, an der jugendlich aussehende Vampire lernen, mit dem modernen Leben Schritt zu halten – bewahren muss. Dennoch entdeckt Lucas die Wahrheit, und auch er verbirgt vor Bianca etwas Schockierendes …

»Evernight« ist wieder ein »Romeo und Julia«-Drama mehr, das im beliebten Vampir-Milieu spielt, gewissermaßen eine ›Light-Version‹ von »Bella und Edward«. In diese Rollen schlüpfen die Vampirin Bianca und der angebliche ›Normalmensch‹ Lucas, die sich ineinander verliebt haben, aber nicht zusammen kommen dürfen, weil sie auf verschiedenen Seiten stehen und keine für die andere auch nur einen Funken Toleranz übrig hat.
Biancas Geheimnis ist lange Zeit auch für den Leser eins. Claudia Gray legt eine falsche Fährte, die zunächst glauben lässt, Lucas sei der Vampir – die Wahrheit wird wahrlich mit einem Knall aufgedeckt. Weil es gar keine Andeutungen gab, wird man allerdings das Gefühl nicht los, dass sich die Autorin bis zu diesem Punkt nicht sicher war, ob sie dem gängigen Schema vom tollen Vampir-Lover und seiner menschlichen Auserwählten folgen oder den Rollentausch riskieren soll, denn vor allem junge Mädchen können sich leichter mit einer Durchschnittsschülerin identifizieren als mit einer überlegenen Vampirin und wollen von einem düster-schönen Beschützer träumen, der ihnen ewiges Leben und Schönheit verspricht.
Praktisch im Nachhinein wird erst erklärt, dass Bianca schon als junges Mädchen wusste, was ihre Eltern sind, was sie selber ist. Das durchaus nachvollziehbare Interesse an Oldies, alten Bücher, distinguierter Kleidung usw. erscheint nun in einem anderen Licht, und nachdem das Essen nie ein Thema war, kommt nun Tierblut auf den Tisch. Bianca beginnt, sich an der Schule zunehmend zu integrieren. Dass einige der Mitschüler keine Vampire sind, wird als neues Projekt der Direktorin bezeichnet, untermauert aber den Eindruck, als habe sich die Autorin nach der Entscheidung für die Variante mit Vampir-Bianca die Erklärungen schnell zurechtgebogen.
Tatsächlich werden die menschlichen Schüler benötigt, um später den Konflikt eskalieren zu lassen, der die Liebe von Bianca und Lucas auf eine harte Probe stellt. Das Buch endet offen, was romantische Leserinnen vielleicht nicht ganz befriedigen mag, aber besser passt als ein zuckrig-kitschiges Happy End. Nebenbei bleibt die Option auf eine Fortsetzung erhalten.

Claudia Cray schreibt flüssig und schafft es, den Schüler-Alltag an einer ungewöhnlichen Schule überzeugend darzustellen. Zwar weist der Roman die genannten Schwächen auf, betrachtet man ihn jedoch als Jugendbuch, das an 15- bis 20-jährige Leserinnen adressiert ist, die eine »Bella und Edward«-Nacherzählung wünschen, darf man davon ausgehen, dass die Kritikpunkte hinter der Romanze verblassen und die Zielgruppe gut unterhalten wird.
Das reifere Publikum, das ebenfalls von Vampir-Liebe begeistert ist, sollte jedoch die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, schon gar nicht dann, wenn man bereits zahlreiche Paranormal Romances gelesen hat.