Peter Schünemann: Das Seelenrad (Buch)

Peter Schünemann
Das Seelenrad
Titelmotiv von Mario Franke
Projekte-Verlag, Paperback, 226 Seiten, 14,50 EUR, ISBN 978-3-86237-699-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

In „Das Seelenrad“ finden sich auf über 220 Seiten 17 Kurzgeschichten des halleschen Autors Peter Schünemann. Sie sind zwischen einer und dreißig Seiten lang und fallen in die Rubrik Mystery beziehungsweise Horror. Es fällt auf, dass das Thema Halloween gleich in mehreren Storys zum Tragen kommt, vielleicht weil sie für Magazine geschrieben wurden, die in einem Herbst erschienen sind. Da diese fünf Texte leider als Block aufeinander folgen, liest sich das etwas eintönig, aber dafür warten die übrigen Erzählungen wieder mit anderen Motiven auf.

„Isabell“ ist ein kleines Mädchen, das ganz plötzlich verschwindet. Das Fenster ihres Zimmers steht offen, es gibt keine Anzeichen für eine gewaltsame Entführung – aber das Kind ist fort. Ein leerstehendes Haus, in dem sich schon seltsame Dinge zutrugen, könnte der Schlüssel sein. Was die Ermittler dort erleben, ist schlimmer als alles, was sie bisher schon gesehen haben.

Die längste Geschichte bedient sich eines klassischen Themas der Horror-Literatur. Die Fahnder, die den Fall der entführten Isabell abschließen möchten, werden mit etwas konfrontiert, das sie nicht erwartet haben. Es ist eindimensional böse und folgt zugleich seiner Natur. Dadurch kommt das Ende wenig überraschend.

In „Halloween“ greift der Ich-Erzähler, ein magisches Wesen, ein, als drei Kinder aus dem Armenviertel von einer Bande Halbstarker aufgehalten wird. Dass die erbettelten Süßigkeiten abgegeben werden sollen, ist noch das Wenigste. Als die Situation eskaliert, wird der Spieß umgedreht.

Eine nette, kleine Geschichte, in der ‚die Bösen‘ einmal das bekommen, was sie verdient haben. Schade, dass es in der Realität meist anders abläuft.

In der Titelgeschichte „Das Seelenrad“ bekommt ein Angestellter eine neue Kollegin, die in ihm ein extremes Déjà-vu-Gefühl auslöst. Auch die junge Frau kann sich nicht erklären, weshalb sie einander so vertraut erscheinen. Dennoch hält sie Abstand, worüber der Erzähler einerseits froh ist – Beziehungen am Arbeitsplatz bringen stets Probleme –, doch andererseits zieht ihn etwas zu Beate, die jedoch in festen Händen ist. Als der Protagonist das Rätsel um jeden Preis lösen will, kommt es zur Katastrophe.

Der Titel nimmt es vorweg: Durch Reinkarnation begegnen sich zwei Menschen, die einander aus einem früheren Leben kennen. Man erfährt nichts über die damalige Beziehung, und es gibt auch kein süßes Happy End, da die neuen Leben in verschiedene Richtungen führen und schließlich etwas passiert, das allein für die Zukunft einen Funke Hoffnung erlaubt.

„In den Bergen“ erhält Holger die Kraft, die schlimme Zeit im Erziehungsheim zu überstehen, die Chance zu nutzen, die ihm eine Adoptivfamilie gewährt – und schließlich mit seinem Vater abzurechnen, der damals die Mutter ermordet hatte, im Gefängnis saß und den Sohn nach all den Jahren nicht mehr erkennt.

Man gibt etwas, und dafür bekommt man etwas zurück. Wie man es nutzt, entscheidet jeder selbst. Im vorliegenden Fall sinnt der Protagonist auf späte Rache, die ebenfalls ihren Preis hat.

Was „Die Fabrik am Meer“ für wen herstellt, erfährt der Betreiber nie. Er ist allein dafür zuständig, dass sie funktioniert und dass es für ihn einen Nachfolger gibt. Als dem jungen Erzähler aufgeht, wie menschenverachtend das System ist, begehrt er auf und verliert dadurch alles. Aber er wehrt sich.

Man kann diese Geschichte als eine Allegorie auf die DDR verstehen. Auch dort sollte alles reibungslos funktionieren, so wie es von den führenden Politikern bestimmt wurde. Die Individualität, die freie Meinung und die Selbstbestimmung wurden unterdrückt. Das Volk wehrte sich, und alles Weitere ist für viele erlebte Geschichte.

„Das Seelenrad“ bietet eine Auswahl an Kurzgeschichten aus den Jahren 1990 bis 2010, die von fragmentarischen Impressionen bis hin zu nachvollziehbaren Geschehnisfolgen reichen. Das fantastische Element ist mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. Nicht immer geht es rein um die Unterhaltung des Lesers; hin und wieder schleicht sich auch die Kritik an den Umständen oder aktuellen Begebenheiten und Risiken ein. Insgesamt ist es eine interessante Zusammenstellung, die zwar wenige Überraschungen bereithält, da man Ähnliches in anderen Büchern bereits gelesen hat, doch der Autor schreibt angenehm flüssig und ohne unnötige Schnörkel, so dass „Das Seelenrad“ eine durchaus kurzweilige Lektüre ist.