Carolin Gmyrek (Hrsg.): Geheimnisvolle Bibliotheken (Buch)

Carolin Gmyrek (Hrsg.)
Geheimnisvolle Bibliotheken
Titelillustration von Angelika Barth
Verlag Torsten Low, 2012, Taschenbuch, 400 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-940036-15-5

Von Carsten Kuhr

Bibliotheken, was verbindet man nicht mit diesem Begriff. Ein Hort des überlieferten Wissens, eine Fundgrube für Gedanken, Anregungen und Vorbilder, ein Ort aber auch, in dem Buchliebhaber auf ihre Kosten kommen. Wo sonst riecht es nach alten Folianten, nach Kladden und Pergament, wo knistern die ledernen oder leinenen Buchrücken, wo rascheln die Seiten? Hier gilt es vergessene Geheimnisse zu lüften, literarische Schätze zu heben und Abenteuer zu erleben. Und immer wieder hält das Übernatürliche Einzug in die Welt der Bücher. Insofern lag es nahe, diese Welt einmal zum bestimmenden Motiv einer Anthologie zu machen.

Torsten Low hat gerufen, hat Autoren unterschiedlichster Couleur aufgerufen ihre Beiträge einzureichen. Lediglich Gewaltdarstellungen oder erotische Beiträge waren von vorneherein ausgeschlossen, die Herausgeberin hat dann die besten 26 Einsendungen ausgewählt und in vorliegendem Buch vorgelegt.

Unter den Autoren sind einige wenige bekannte Namen (Ju Honisch, Christian Endres und Christian von Aster sind hier zu nennen), ansonsten mir bis dato unbekannte Autoren. Das macht aber nichts, entscheidend ist allemal, ob es eine Geschichte vermag, mich in ihren Bann zu ziehen. Und hier haben es viele Beiträge geschafft das Ziel zu erreichen. Dabei erwartet den Leser ein bunter Strauß an unterschiedlichsten Geschichten. Welche, in denen die Bücher im Zentrum stehen, dann solche, in denen die Bibliothekare oder die Menschen, die sich mit Büchern beschäftigen, in den Mittelpunkt gestellt werden. Dabei unterscheiden sich die Beiträge inhaltlich wie stilistisch, folgen auf eher abenteuerliche Erzählungen Geschichten, die den Menschen, sein Denken seine Zweifel beleuchten und den Leser nachdenklich zurücklassen.

Den Auftakt, wie das Finale machen jeweils ein Comic ohne Wortblasen von Stefanie Hammes. „Ohne Worte“ leitet er stimmungsvoll in die Anthologie ein.

Christian Damerows „Im Anfang war das Wort“ ist eine surrealistische Erzählung, in der von der Fron der Kopierer in einer gar merkwürdigen Bibliothek berichtet wird.

Gregor Eders „Wissen ist Macht“ erschien mir mehr wie der Prolog zu einem recht interessanten Steampunk(?)-Roman. Ein Luftschiff, das die größte Bibliothek der Welt beherbergt und diese auf seinen Reisen den Menschen zugänglich macht, macht in einer kleinen Stadt halt – auch, um dort verschollene Meisterwerke, die Grabräuber aus einem geplünderten Grabstätte entwendet haben, aufzukaufen. Faszinierende Personen, eine stimmungsvolle Kulisse, hier hätte ich gerne weiter gelesen.

Es folgt mit Karsten Klein-Ihrlers „Der Bibliothekar“ eine Geschichte über eine gar merkwürdige Bibliothek in der die Autoren der gefeierten Klassiker munter miteinander streiten, sich austauschen und zusammen mit dem Bibliothekar Feste feiern – bis sie dabei erwischt werden.

Thomas Lohwasser und Vanessa Kaiser widmen sich in „Das besondere Buch“ dem Schicksal eines bis dato unschuldigen Mannes. Von dem Buch, in dem seine Lebensgeschichten aufgeschrieben ist angeleitet, erreicht er zunächst alles, was er sich erträumt; Geld, eine florierende Firma eine bezaubernde Frau – bis er im Buch an die Seite kommt, ab der alles den Bach hinuntergeht ... Eine Geschichte, die obzwar ein bekanntes Thema behandelt, den Leser spannend unterhält.

Was passiert wohl, wenn Gespenster sich auf eine Schatzsuche machen? Die Antwort findet sich in Susanne Haberlands „Ein Schatz von unermesslichem Wert“, einer Story, die mit viel Humor, bekannten und unbekannten Wesen vor der Kulisse einer altehrwürdigen Oxford-Bibliothek spielt.

In „Schöne Aussicht“ berichtet uns Ju Honisch von einem skrupellosen Geschäftsmann der seine Villa auf einem ehemaligen Klostergelände errichten will. Dass er dabei, in den Hohlräumen des Berges, auf die vor der Säkularisation geretteten Bücher des Klosters stößt, ändert seine Pläne – unfreiwillig und radikal.

„Das Herz des Theaters“ nennt Fabienne Siegmund ihren Beitrag, in dem sie dem Herz eines jeden Theaters, den Büchern mit den Stücken die gegeben werden, ihre Referenz erweist. Wenn der Intendant dann die Werk vergisst, dann stirbt das Theater – außer man findet einen Nachfolger.

Bettina Ferbus' „Der 31. September“ berichtet uns stilistisch sehr ansprechend von einer Leserin und ihrem Bibliothekar, die mittels eines Buches der Welt entfliehen – der zurückgebliebene Ehemann der Frau, ein tumber Muskelprotz, versteht die Welt nicht mehr.

Rainer Baumgärtel stellt uns in „Staub der Ewigkeit“ einen alternden Beamten vor, der allein mit seinen Büchern lebt. Als eine polnische Putzfrau nicht nur sein Herz sondern auch sein Bett erobert, werden die Bücher eifersüchtig.

In Isa Theobalds „Maledictus“ nutzen ein Engel und eine Physikerin die Aufzeichnungen einer Bibliothek um ihren Plan, Gott zu töten, voranzutreiben. Ausgerechnet ein gefallener Engel stellt sich ihnen in den Weg.

Karin Jacobs „Bücher des Lebens“ berichtet uns von einem Antiquar, der einem Tipp nachgeht und auf eine ganz besondere Bibliothek trifft, in der Bibliographien ganz normaler Menschen gesammelt werden. Wie die Bücher allerdings geschrieben werden, ist ihm ein Rätsel, bis er das erste Buch seines eigenen Lebens in die Hand nimmt.

In Serena Hiranos „Von Staubquasten und Engerlingsschnüfflern“ lernen wir einen Putzmann kennen, der in der Städtischen Bibliothek die Regale von Staub befreit – bis er bei den ältesten Büchern kleine Lebewesen zu entdecken glaubt, die neuen Staub verteilen und die gerne aus Büchern vorgelesen bekommen…

Andrea Spilles „Allein zwischen Regalen“ stellt uns einen Magazinarbeiter in der Städtischen Bibliothek vor, der, nach der Lektüre eines Horror-Romans in die Tiefen der mechanischen Stahlregale gelockt wird.

Jan-Christoph Prüfer setzt in „Elly“ der Universitätsbibliothek von Bielefeld ein Denkmal. Hier, in den nachts verlassenen Gassen der Regale, treibt ein Vampir sein Unwesen – ein Buchstabenvampir und mehr…

Christian Endres wandelt in „Die Bibliothek des Drachen“ auf den Spuren eines Indiana Jones. Im Auftrag des Geheimdienstes soll ein Abenteurer einen Glücksjäger davon abhalten, den Nazis die auf Drachenhaut geschriebenen Geheimnisse eines uralten Geheimordens zu verschaffen – doch zunächst gilt es, die Bibliothek überhaupt zu finden und zu erkennen.

In Charlotte Erpenbecks „Der Bibliothekar“ begegnen wir einem unsterblichen, zwergenhaften Bibliothekar, der eine vergessene magische Bibliothek hütet. Dass seit Jahrhunderten niemand mehr seinen Rat geschweige denn die Bücher gesucht hat, verleitet ihn zu einem verhängnisvollen Fehler.

Daniel Schenkels „Die älteste Schrift“ berichtet uns von einem merkwürdigen Büchersammler, der in seinem heruntergekommenen Haus größte bibliophile Schätze hütet. Als er eines Tages einem jungen Mann Zutritt zu seiner Sammlung gewährt, geschieht dies nicht ganz uneigennützig.

Christian von Aster entführt uns in „Zwei Kisten Weisheit“ in den Orient. Ein Forscher will sein Lebenswerk, das er in diversen Büchern niedergelegt hat, einer Bibliothek stiften – ein hehres Vorhaben, das dann etwas anders endet, als erwartet.

Paul Sankers „Das letzte Pergament“ berichtet uns von einer Seherin aus Alexandrien, deren Visionen die Zukunft festhalten, ja bestimmen sollen.

Benjamin Nemeths „Frater Anselm“ stellt uns einen Frater vor, der im Auftrag seines Abtes in einer Klosterbibliothek nach vervielfältigungswürdigen Manuskripten sucht – und in den Gängen unter der Abtei etwas ganz Anderes findet.

Olaf Lahayne berichtet uns in „Die Bibliothek von Bärbel“ von der letzten Außenwette, die Thomas Gottschalk zu einer blinden Bibliothekarin führt.

Cornelia Rösers „Die siebte Bibliothek“ macht uns mit dem Kreis der Sieben bekannt, Büchersammlungen, denen besondere Kräfte innewohnen. Nur mit Hilfe eines Buches kann er den Bewohnern der Bibliothek entkommen…

Carolin Gmyrek schließt den Band mit ihrer Erzählung „Bestandserhaltung“ um eine ganz besondere Privatbibliothek ab, die ihre Bibliothekarin mit einem besonderen Geschenk bedenkt.