Jeri Smith-Ready: Blutrausch – Vampire Souls 1 (Buch)

Jeri Smith-Ready
Nachtrausch
Vampire Souls 1
(Wicked Game, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Beke Ritgen
Titelgestaltung von Manuela Städele unter Verwendung von Motiven von shutterstock/Marilyn Volan, iStockphoto/101dalmatians
Bastei Lübbe, 2012, Taschenbuch, 476 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-404-20641-4 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Ciara Griffin hat schon eine Menge hinter sich. Den Job bei dem Radiosender WMMP braucht sie dringend, um ihr Leben endlich in den Griff zu bekommen. Aber die Typen, die die Sendungen moderieren sind … schräg. Und noch schräger ist die kleine Vampir-Enzyklopädie, die man ihr mitgab.

Zunächst will Ciara es nicht glauben, aber die DJs sind tatsächlich Vampire. Jeder von ihnen wurde in einer anderen musikalischen Ära gewandelt, in der er geistig steckenblieb. Sie können sich nicht anpassen, nicht mit der Zeit gehen, und früher oder später werden sie depressiv und sterben. WMMP bot einer kleinen Gruppe von ihnen ein Zuhause und die Möglichkeit, durch die Arbeit ihre eigene Zeit zu leben, was ihnen bislang die Gesundheit bewahrte.

Allerdings versucht Skywave, ein Großkonzern, alle kleinen Radiosender aufzukaufen, und die Besitzerin von WMMP ist geneigt, den Vertrag zu unterschreiben – obwohl sie selbst ein Vampir ist! –, was das Schicksal der Angestellten besiegeln würde. Rettung könnte nur eine Gewinnsteigerung bringen, und hier kommt Ciara ins Spiel. Sie soll durch ungewöhnliche Werbe-Strategien zahlende Kunden anlocken.

Nachdem ihre anfängliche Angst abgeklungen ist und sich ihr Herz immer mehr dem attraktiven Shane zuneigt, möchte sie WMMP erhalten. Zunächst sind die DJs skeptisch, machen dann aber doch mit, indem sie sich als das outen, was sie wirklich sind, denn kein Mensch glaubt an echte Vampire! Der Plan geht auf, der kleine Sender feiert immense Erfolge – aber es gibt auch Personen, denen diese Entwicklung gar nicht gefällt: Skywave, die Mitglieder der Liga und andere Vampire. Damit gehen die tödlichen Probleme erst richtig los…

Vampir-Romane gibt es derzeit wie Sand am Meer, und schon seit einer geraumen Weile sind die Blutsauger positiv besetzt, stellen die Helden und bekämpfen ihre „Dracula“-bösen Artgenossen, die einfach nicht genug süßes Blut trinken können und darum töten. Nahezu jeder Autor, der sich ihrer annimmt, bemüht sich, dem Vampir-Mythos eine neue Facette hinzuzufügen, sie ein kleines bisschen anders zu beschreiben – ihre Stärken und Schwächen –, damit sich das Buch oder die Serie wenigstens geringfügig von den Werken der Kollegen abhebt.

Auch Jeri Smith-Ready hat sich etwas Besonderes für ihre Vampire ausgedacht: Sie sind unfähig, sich weiterzuentwickeln. Dieser Umstand ist es, der ihnen trotz einer gewissen Langlebigkeit den Tod bringt. Die DJs – Regina, Shane, Jim, Spencer, Noah, Monroe – sind Paradebeispiele für Vampire, die ‚ihre Zeit‘ nicht vergessen können, die nur Geschichten von ‚damals‘ erzählen und die entsprechende Musik präsentieren. Und genau das gibt ihnen den notwendigen Halt. Als Ciara die Wahrheit erfährt, will sie es erst nicht glauben und hält die Angestellten von WMMP für Spinner. Lieber will sie den Job ablehnen, als sich mit Typen einzulassen, die mindestens so schräg sind wie sie selbst. Dann passiert etwas, das sie regelrecht schockt, und sie kann die Tatsache nicht länger leugnen. An die Stelle der Angst tritt jedoch nach und nach beginnendes Verstehen, Mitgefühl und schließlich Sympathie. Je mehr Ciara über die Vampire und ihre Natur erfährt, umso leichter fällt es ihr, sie nicht nur als durstige Überwesen zu sehen und ihre Schwächen gegen sie einzusetzen, um sich mit einem blauen Auge aus kritischen Situationen winden zu können. Aber nicht alle Vampire sind so ‚zivilisiert‘ wie diese kleine Gruppe, und deren Gegenspieler sind gleichfalls nicht gerade zimperlich. Um ihren neuen Freunden wirklich helfen zu können, muss sich Ciara letztlich ihren eigenen Gespenstern stellen: ihrem bisherigen Leben, das von den Vergehen ihrer Eltern und Fehlern, sie sie selbst beging, überschattet wird. Aber dann bietet sich ihr die einmalige Chance, alles hinter sich zu lassen und neu anfangen zu können. Ciara muss eine schwere Entscheidung treffen, die nicht nur ihre Zukunft beeinflussen wird.

Jeri Smith-Ready schafft es, den Leser schnell in den Bann zu ziehen. Gespannt begleitet man Ciara, die die Natur ihrer neuen Kollegen ergründet und zögerlich ihre eigenen Geheimnisse preisgibt, welche denen der Vampire in nichts nachstehen. Die Geschehnisse werden so packend beschrieben, dass sie auch von der sich anbahnenden Romanze nicht verwässert werden. Unerwartete Wendungen sorgen regelmäßig für Überraschungen, so dass man von der ersten bis zur letzten Seite sehr gut unterhalten wird. Nach diesem Auftakt ist man neugierig, wie „Vampire Souls“ weitergeht.