DMZ 1: Abgestürzt (Comic)

Brian Wood
DMZ 1
Abgestürzt
(DMZ 1, 2006)
Aus dem Amerikanischen, von Bernd Kronsbein
Titelillustration und Zeichnungen von Brian Wood, Riccardo Burchielli
Panini, 2007, Paperback mit Klappenbroschur, 128 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86607-417-0

Von Bernhard Kletzenbauer

Die Serie „DMZ“ beschreibt die Ereignisse eines fiktiven zweiten amerikanischen Bürgerkriegs. Milizen aus dem Mittleren Westen kämpfen sich zu den Küsten vor und kommen in Manhattan zum Stillstand. Am 5. Jahrestag seit Kriegsbeginn will der Journalist und Nobelpreisträger Viktor Ferguson aus der sogenannten demilitarisierten Zone einige Fernsehreportagen für den Nachrichtensender ‚Liberty News‘ anfertigen. Der Fotografen-Praktikant Matthew Roth begleitet ihn.

Nach der Landung in Manhattan beim Auspacken der Ausrüstung, wird die Crew angegriffen. Der Praktikant bleibt zurück, und der flüchtende Hubschrauber wird abgeschossen. Nun muss sich Matthew Roth zum Abholpunkt durchschlagen. Die ehemalige Medizinstudentin Zee hilft ihm dabei. Als die Absturzstelle von den eigenen Leuten bombardiert wird, tut sich Matt mit den Zivilisten in Manhattan zusammen und sendet ungeschönte Beiträge aus dem zerstörten Stadtteil. Ständig wird er in Kampfhandlungen verwickelt und lernt erstaunliche Menschengruppen kennen. So haben sich zum Beispiel Umweltaktivisten im Zoo versteckt und ein unterirdisches Biotop angelegt. Jede Gruppe will natürlich im besten Licht dargestellt werden. Aber wenn der Feind angreift und man um das eigene Leben kämpft, ist es nicht weit her mit Fairness und Menschlichkeit.

„DMZ“ 1 lässt am Ende offen, ob Matthew weiterhin in Manhattan bleibt, oder an einem Übergang auf die sichere Seite wechselt. („DMZ“ 12 erscheint am 19.02.2013)

Da die Schauplätze des Comics real sind, konnten die Zeichner Luftaufnahmen und Fotos als Vorlagen für eine realistische Darstellung nutzen. Die gezeigten Nebenpersonen sind nicht irgendwelche Schatten oder vereinfachte Statistenbilder, sondern Individuen mit wiedererkennbaren Gesichtern und Bekleidungen. Die Charaktere sind überaus unterschiedlich. Einige Fanatiker haben nichts Menschliches mehr an sich. Andere Figuren können abartige Neigungen ausleben, sind aber im Grunde genommen ganz gute Kerle.

Bei einem Kriegsszenario mit zerstörten Gebäuden wird mancher Zeichner leicht dazu verführt, schludrig zu arbeiten und die Szenerie lustlos hinzuschmieren. Bei „DMZ“ ist das überwiegend nicht der Fall. Auch die zerstörten, verdreckten Straßen und Wohnungen werden mit präzisem Strich ausgearbeitet. Die Kolorierung zeigt fein abgestufte Farbverläufe und sparsam eingesetzte Computernachbearbeitung. Nur an den Kapitelanfängen, bei den Erinnerungen des Praktikanten, wird skizzenhaft mit grobem Strich und einfacher Kolorierung gearbeitet. Einige Einzelbilder wirken im ersten Moment fast fotorealistisch.

Realistisch werden auch die grausigen Details gezeigt, wenn zum Beispiel mit DumDum-Munition den Gegnern der ganze Kopf weggeschossen wird, wenn verstümmelte Kinder, Erwachsene und Tote gezeigt werden. Hierzu kann man zwiespältiger Meinung sein. Soll die Erzählung auch für Jugendliche frei sein und deutet man brutale Verletzungen und Morde nur an – oder zeigt man es schonungslos? Heilewelt-Heldengeschichten oder Gewaltverherrlichung oder Schocktherapie für abgestumpfte Leser? Auch wenn die Gewaltszenen viele anwidern, sind andere für die Schocktherapie: Die Leser müssen sehen, was für eine blutige Schweinerei der Einsatz von Waffen hinterlässt. Ebenso zwiespältig muss man die Handlung beurteilen. Ist dies eine Geschichte für Splatter-Fans, die sich ergötzen an blutspritzenden Treffern der Scharfschützen? Oder ist dies eine Antikriegsgeschichte, die Waffennarren als pervers anprangert (Gerade in den USA haben bewaffnete Amokläufe inzwischen schon makabre Tradition.)? Dies muss der Leser für sich selbst beantworten. Eindeutig ist aber die Anklage gegen die Kriegsberichterstattung, die eigene Gräuel zensiert und einseitig nur die Taten der Gegenseite anprangert. Zivilisten sind dabei nur störendes Beiwerk. Aber in „DMZ“ wird gerade die Situation der Zivilbevölkerung dargestellt, die an ihrem Wohnort, gegen ihren Willen, in die Kampfhandlungen verstrickt wurde.

Es ist das Gegenteil eines Heile-Welt-Comics mit strahlenden, fairen Helden. Gute Unterhaltung? – Wohl kaum. Es erzeugt Unbehagen, wenn man sich vorstellt, dass jugendliche Leser so heldenhaft wie Matthew Roth sein wollen. Zartbesaitete Leser sollten die Finger von „DMZ“ lassen. Ebenso sollte es nicht in die Hände von abgestumpften Action-Story-Konsumenten gelangen. Es ist eine anklagende Geschichte für erwachsene Leser. Leser, welche die Anklage weitergeben an ihre Bekannten, mit den Worten: „So nicht!“