Gail Carriger: Sengendes Zwielicht (Buch)

Gail Carriger
Sengendes Zwielicht
Lady Alexia 5
(Timeless)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Anita Nirschl
Blanvalet, 2012, Taschenbuch, 414 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-442-38055-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass über Lady Alexia, die Übernatürliche aus London, das letzte Mal eine Katastrophe hereingebrochen ist. Nachdem sie sich mit dem Vampirstock der britischen Metropole geeinigt hat und Lord Akeldama als Vormund ihrer Tochter eingesetzt wurde, lebt sie in relativer Ruhe und in Frieden an der Seite ihres Mannes Lord Maccon.

Wir ahnen es natürlich schon, lange wird diese Zeit des beschaulichen Luftholens nicht anhalten. Und wirklich nur zu bald herrscht wieder Aufregung und Hektik im Haushalt des Werwolfrudels, dem Lord Maccon vorsteht. Ein Werwolf, der ausgesandt war, den vernichtenden Einfluss altägyptischer Mumien an Ort und Stelle zu untersuchen, kehrt abgerissen und entkräftet nach London zurück. Bevor er Lady Alexia noch Genaueres mitteilen kann, wird der Werwolf von einem Sundowner-Geschoss getötet. Gleichzeitig ergeht eine Einladung an Lady Alexia, ihren Gatten und deren Tochter. Die älteste Vampirin der Welt lädt nach Alexandria ein; eine Einladung, die man schlicht nicht ignorieren kann.

Im Land der Pharaonen stößt unsere patente Übernatürliche dann nicht nur auf Geheimbünde, Mumien und Attentäter, sondern auch auf Spuren ihres verstorbenen, intriganten Vaters – und auf eine verzweifelte, alte Frau…

Gail Carrigers ganz eigene Mischung aus viktorianischem Roman, Steampunk und übernatürlichen Wesen geht in seine fünfte Runde. Hatte ich im letzten Band noch den Eindruck, dass der Drive ein wenig raus war, dass die Autorin begann, sich zu wiederholen, überraschte mich vorliegendes Buch. Die Autorin setzt ihr System neu auf, setzt neue Schwerpunkte und offenbart uns wirkliche Aufsehen erregende Neuigkeiten.

Standen bislang die Roben, Hüte, gesellschaftlichen Gepflogenheiten und die amourösen Aktivitäten doch sehr im Vordergrund, so erwartet den Leser hier eine Überraschung. Die Beschreibungen der aufwendigen Tornüren, Halstücher und Gamaschen rückt in den Hintergrund, stattdessen setzt Carriger auf ein wenig Exotik. Mit Ägypten rückt hier eine faszinierende Kulisse in den Fokus, aus dem die Autorin aber letztlich zu wenig macht. Dennoch ist es erfrischend, wenn Lady Alexia einmal nicht im feuchten London oder Schottland für Unruhe sorgt, sondern der ewigen Wüste und der dort verborgenen Rätsel ihre Referenz erweist.

Neben der Verlagerung an das südliche Mittelmeer ermöglich die Exkursion unserer Erzählerin es der Autorin auch, in London neue Figuren näher zu beleuchten. Immer wieder wechselt die Handlung von Alexandria nach London und zurück, bauen sich hier neue Rätsel auf, die dann folgerichtig aufgelöst werden. Immer deutlicher wird dabei, dass Alexias verstorbener Vater nach wie vor auf ihr Leben, ja das aller übernatürlichen Wesen Einfluss nimmt. Es wäre interessant, wenn die Autorin hier in einem Spin off einmal auf dessen Abenteuer eingehen würde – Templer, der Orden des Oktobus, Vampirstöcke und Werwolfrudel würden für viel Lesefreude bürgen.

Vorliegend macht sich Alexia gewohnt tatkräftig an die Aufklärung der Rätsel. Dass dabei ihre Ehe einmal mehr in eine Krise gerät, dass Kinder entführt, Mumien ihre Macht demonstrieren, Pharaonen sich einmischen und gleichgeschlechtliche Pärchen sich finden, war zu erwarten. Dass aber eine etwas sehr exzentrische neue Vampirkönigin gewandelt wird und den Stock von Alexandria übernimmt, das hätte wohl niemand vorherzusagen vermocht.

Nette und flüssige Lektüre ohne zu viel Tiefgang – zum Entspannen eben.