Schlederer, Victoria: Des Teufels Maskerade (Buch)

Victoria Schlederer
Des Teufels Maskerade,
Titelgestaltung von Nele Schütz Design
Innenillustrationen von Iris Daub,
Heyne, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 542 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-453-52655-6

Von Carsten Kuhr

Wenn Sie Probleme haben, ich meine wirklich Probleme, großgeschrieben, wenn Ihnen etwas nicht ganz geheuer vorkommt, dann wenden Sie sich nicht an die Gendarmerie und schon gar nicht an die schneidigen Kavalleristen der Regimenter des Königs, dann ist Baron Dejan Sirco die Institution, an die man sich in Prag wendet.

Trotz seines etwas zweifelhaften Rufs – er wurde vor Jahren unehrenhaft aus dem Diensten Ihrer Majestät entlassen – gilt sein Bureau für okkulte Angelegenheiten als die erste Adresse in Sachen detektivischen Spürgeistes. Im Dienste der besseren Gesellschaft stellt er untreuen Damen nach, sucht kompromittierende Briefe und setzt übernatürlichen Wesen zu. Unterstützung erhält er dabei nicht nur von Esther, einer der angesehensten Dirnen der Stadt an der Moldau, sondern auch von einem im Körper eines Otters gefangenen englischen Gentleman.
Dieses Mal aber ist er in seinen neuesten Fall extraordinärer Verwicklungen persönlich tangiert. Nicht genug, dass ein alter Bekannter, ein Vampir, die Metropole erneut heimsucht, auch sein alter Freund Felix Trubic, mit dem ihn eine Hassliebe verbindet, ein wahrer Bohème, der früher in Diensten des Büros für okkulte Angelegenheiten der K & K Monarchie stand, ist in den Fall verwickelt.

Alles beginnt damit, dass besagter Trubic beabsichtigt, seine Tochter mit einem gestandenen, ihm aber wenig sympathischen Militär zu verheiraten. Dass besagter deutlich älterer Militär nach einem Besuch des Etablissements Esthers mit Herzversagen das Zeitliche segnet kommt doch recht geschickt zupass. Warum aber hat die Leiche des Verblichenen so wenig Blut in ihren Adern?
Gleichzeitig erhält der Vater der Braut ein Billet übersandt, das ihn in wohlfeilen Worten auf einen Familienfluch hinweist, dem er an seinem vierzigsten Geburtstag zu erliegen droht. Trotz all der Animositäten und verletzten Eitelkeit, die zwischen den beiden Männer steht, weiß Trubic doch, dass ihm nur einer helfen kann, den Fluch zu ergründen und vielleicht aufzuhalten. Dejan und seine Kollegen machen sich mit Feuereifer an die Arbeit. Die Spur führt übers ferne Wien wieder nach Prag. Während übernatürliche Wesen sie bedrohen, kommen unsere Ermittler dabei einer Jahrhunderte alten Verschwörung auf die Spur, einem Freiheitskampf, der nicht nur mit normalen Kräften geführt wird …

Gut ein Jahr ist es mittlerweile her, dass der Heyne Verlag einen Literaturwettbewerb ausschrieb. Unter dem Signet »schreiben Sie einen magischen Bestseller§ durften Talente Manuskripte einreichen, aus denen eine hochkarätig besetzte Jury dann anlässlich der Leipziger Buchmesse den Sieger erkor.
Victoria Schlederer wurde mit dem Siegerlorbeer ausgezeichnet, ihr Buch erschien pünktlich vor dem Weihnachtsgeschäft. Was aber hat Lektoren wie Jury überzeugt?
Natürlich dürfen heutzutage Vampire und Drachen nicht fehlen – doch, man beachte, Schlederer wandelt dabei auf ganz eigenen Pfaden.
Die studierte Politikwissenschaftlerin aus der Nähe von Wien mit einem Faible für Geschichte wendet sich einer gerade in der phantastischen Literatur sträflich vernachlässigten Bühne zu. Europa kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die K & K Monarchie regiert über ein ausgedehntes Reich, in dem es an allen Ecken und Enden rumort. Der Vielvölkerstaat droht aufgrund der Freiheitsbestrebungen seiner Landsmannschaften auseinanderzubrechen. Das ist eine ungewohnte Bühne für einen phantastischen Roman.

Mit großem Fachwissen über die damalige Zeit spinnt die Autorin hier ein ganz eigenständiges Garn. Immer wenn ich meinte zu ahnen, wohin die Handlung führen würde, wurde ich überrascht. Vampire kommen vor, ja sind wesentliches Element des Romans, ohne aber diesen wirklich zu dominieren. Stattdessen steht die Suche nach den Hintergründen des Fluchs im Zentrum des Bandes. Verwurzelt in der Zeit präsentiert sie uns eine gelungene Mischung aus Detektivroman, geschichtlichem Werk und phantastischen Einflüssen.

Das ist in seiner Ausgestaltung überzeugend, vom Inhalt her voller unerwarteter Wendungen und gespickt mit beeindruckenden Personen. Dass einzelne Brüche im Handlungsfluss auftreten, dass die Autorin uns gar zu viele Agenten der Krone vorstellt und einzelne vielversprechende Handlungsansätze im Sande verlaufen sei angemerkt, mehr aber auch nicht.
Dominiert wird mein Eindruck von einer Stimme, die eigene Wege geht, die es wagt, sich vom erprobten Fantasy-Einerlei abzuschotten und daher ganz zurecht den Erfolg für sich verbuchen kann.