Rick Yancey: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo (Buch)

Rick Yancey
Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
(The Curse of the Wendigo, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Axel Franken
Titelillustration: Iacopo Bruno
Illustrationen: Jürgen Speh
Bastei Lübbe, 2012, Paperback, 398 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-7857-6063-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

In der Habe eines 2007 verstorbenen Bewohners eines Altenheims werden Aufzeichnungen entdeckt, in welchen der Verstorbene namens Will Henry behauptet deutlich über 100 Jahre alt gewesen zu sein (genauer: er sei 1876 geboren worden). Diese fallen dem Autor Rick Yancey in die Hände, der die hier erzählten Geschichten dermaßen interessant findet, dass er deren Teile in drei Büchern veröffentlichen lässt. Nach „Der Monstrumologe“ ist dies der zweite Teil der Aufzeichnungen des verstorbenen Will Henry.

Als 12jähriger Junge habe Will Henry im Jahre 1888 bei einem Wissenschaftler mit Namen Dr. Pellinore Warthrop gelebt und mit ihm Monster gejagt und getötet. Der Doktor habe als Monstrumologe gearbeitet und sei schon mit Wills Eltern dereinst auf die Jagd nach bedrohlichen Lebewesen gegangen. Als dann Wills Eltern bei einem schrecklichen Brand getötet worden seien, habe er den Jungen als Assistenten behalten. Doch Dr. Warthrops Umgang mit dem Jungen ist hart und abweisend und vor allem muss er den Mann bei dessen gefährlichen Expeditionen begleiten.

Diesmal reisen die beiden mit einem Führer ins kalte und unwegsame Gebiet der westlichen Grenze Kanadas, denn dorthin hat sich ein ehemaliger Freund des Professors hinbegeben, da hier der legendäre Wendigo gesichtet worden sein soll. Warthrop bestreitet dessen Existenz mit Vehemenz, will jedoch auf Bitten der Frau seines ehemaligen Freundes diesen aufstöbern. In der Wildnis stoßen der Wissenschaftler, sein junger Assistent und deren Führer dann auf einen rätselhaft gepfählten Mann, den man wie von Riesenhand geworfen auf einen Baumstamm gespießt und die Haut abgezogen hat. Doch Warthrop lässt sich von nichts irritieren, er hört erst auf zu suchen, als er fündig wird, ohne zu ahnen, welch weitreichende Katastrophe er damit auslösen wird...

Leider ist der zweite Teil von Yanceys Trilogie längst nicht so gelungen wie der erste. Zwar schafft es der Autor erneut, eine gruselige Atmosphäre zu erzeugen, der Spannungsgehalt des Romans lässt allerdings diesmal schwer zu wünschen übrig. Obwohl die Geschichte erneut von den starken Charakteren profitiert, will sich die rechte Begeisterung beim Leser nicht einstellen, da das Buch einfach viel zu wenig konkreten Handlungsfortschritt für die 400 Seiten zu bieten hat. So irren Will Henry und der Professor fast 150 Seiten lang einfach nur durch die endlose kanadische Wildnis, werden scheinbar von etwas Gruseligem bedroht, ohne jemals mehr als glühende Augen zu sehen. Wem schon der hysterische Film „Blair Witch Project“ auf die Nüsse ging, der wird auch hier vor Langweile vergehen. Auch danach geht es mit der Handlung nicht wirklich voran, obwohl der Autor eine nette menschliche Verwicklung konstruiert, um einen tiefen Einblick in das verformte Seelenleben des Monstrumologen zu gewähren.

Wer die Spielfilme „Bis das Blut gefriert“ (im Original: „The Haunting of Hill House)“ oder „Die Frau in Schwarz“ (im Original: „The Woman in Black“) gesehen oder deren literarische Vorlagen von Shirley Jackson beziehungsweise Susan Hill genossen hat, der weiß, wie man auch aus wenig Handlung eine überwältigende Gänsehautatmosphäre basteln kann. Yancey misslingt dies im vorliegenden Roman leider eindeutig. Zu bräsig kommt die Handlung daher, zu offensichtlich sind die hier eingesetzten wenigen Schauermomente.

Gemessen am ersten Teil ist dieses Buch eine veritable Enttäuschung. Geht man jedoch von dem aus, was das Genre sonst noch so zu bieten hat, ist „Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo“ immerhin noch lesbar und goutabel. Es bleibt aber zu hoffen, dass der Autor im letzten Teil der Trilogie nochmals zu jener Form aufläuft, die er in „Der Monstrumologe“ bereits einmal hatte.