Grimm Fairy Tales: Die Traumfresser-Saga 1 (Comic)

Raven Gregory, Ralf Tedesco & Joe Brusha
Grimm Fairy Tales: Die Traumfresser-Saga 1
(Grimm Fairy Tales: Dream Eater Saga Volume 1, 2012)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelbild von Eric Basalova
Zeichnungen von Anthony Spay, Roberto Vlacava, Allan Otrero u.a.
Panini, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 224 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86201-377-7

Von Christel Scheja

Raven Gregory, Ralf Tedesco und Joe Brusha führen nun die Geschichten, die sie in „Wonderland“ und „Grimm Fairy Tales“ begonnen haben, in der epischen „Traumfresser-Saga“ zusammen. Wie in den vorhergehenden Geschichten bieten sie natürlich wieder eine sehr erwachsene Variante von Märchen und Legenden an, mit denen viele von uns aufgewachsen sind.

Verbindendes Element in den sechs Kapiteln ist ein geheimnisvoller alter Mann mit großen Kräften. Anfangs ist nicht ganz klar, um wen und vor allem was es sich handelt, denn er spricht nicht besonders viel über sich selbst, hat es aber auf die Wesen abgesehen, die in lockerer Verbindung mit den unterschiedlichen Anderswelten stehen.

Da ist das kleine Mädchen, das miterleben muss, wie ihre Mutter von einem Dämon grausam ermordet wird. Sie schwört Rache und verschreibt sich ganz dem Hass. Die Menschen lernen sie später als die gnadenlose Baba Yaga kennen. Jahrhunderte später finden zwei Reisende eine sterbende Frau, die behauptet, erst sechzehn Jahre alt zu sein. Sie wollen ihr erst nicht glauben, werden dann aber eines Besseren gelehrt. Und in der Jetztzeit stellt Carroll Liddle fest, dass sie die Vergangenheit wieder einzuholen beginnt, denn die Alpträume, die jahrelang verschwunden waren, kehren wieder zurück. Ihre Tochter Violet versucht sie zu beruhigen ... aber kann sie das wirklich? Denn das Wunderland scheint zurück zu sein, wütender und mächtiger als je zuvor.

Zur gleichen Zeit werden an anderer Stelle Siegel gebrochen und Zauber gewirkt, um etwas frei zu lassen. Schon bald horchen die übernatürlichen Wesen und die Menschen auf, die mit der Magie der Mythen in Berührung gekommen sind. Denn eine alte Macht, vor der selbst sie Angst haben, kehrt zurück: Der Traumfresser. Der „Rattenfänger“ von Hameln bekommt dies ebenso zu spüren, wie die Baba Yaga, die sich dem Unheimlichen nur knapp entziehen kann. Und es scheint so, als müsse sie nun Hilfe bei ehemaligen Feinden suchen, um überleben zu können.

Ähnlich wie in den früheren Serien, setzen die Macher auch bei der „Traumfresser-Saga“ auf eine möglichst düstere und grausame Umsetzung der Kinderbuchklassiker und Märchen. Wieder wird die grausame und dunkle Seite der Geschichten betont – selbst wenn die einzelnen Episoden erklären, warum die Figuren so wurden, wie sie sind. Es gibt ein Wiedersehen mit vielen Bekannten, guten wie bösen. Die erste Graphic Novel dient allerdings mehr dazu, die einzelnen Figuren einzuführen, ihren Hintergrund auszubauen oder neu einzuführen und die Weichen zu stellen, als schon den eigentlichen Konflikt zu behandeln, denn die Geschichten sind sehr unterschiedlich und fügen sich erst zum Ende hin zu einem deutlichen Bild zusammen.

Immerhin hat die Handlung mehr Substanz als in früheren Ausgaben der „Grimm Fairy Tales“. Tatsächlich wird man durch die eingestreuten Hinweise eher neugierig darauf, wie alles zusammengehört, ahnt, dass die zusammenhanglos wirkenden Episoden nachher ein Gesamtbild ergeben. Zwar ist die Gewalt und Grausamkeit stellenweise immer noch Selbstzweck, wie die auffallend leicht bekleideten Heldinnen für viele Leser ein Augenschmaus sein dürften, aber die Geschichte besteht nicht nur aus wahllos aneinander gereihten Horror-Momenten. Das lässt darauf hoffen, dass auch die weiteren Bände der „Traumfresser-Saga“ wieder genug Spannung und eine Handlung bieten, die sich logisch zusammenfügt und am Ende zufrieden stellt. Allerdings sollten sich zartbesaitete Gemüter schon überlegen, ob sie einen Blick riskieren, denn die Künstler nehmen immer noch kein Blatt vor den Mund, was Gewalt und Horror angeht – Blut spritzt und Gedärme fliegen öfter als man denkt.

Wer bereits „Wonderland“ und „Grimm Fairy Tales“ mochte, der wird auch mit der „Traumfresser-Saga“ zufrieden sein. Vor allem Comic-Leser, die Horror und Splatter nicht abgeneigt sind, werden ihren Spaß haben, denn es gibt reichlich davon. Immerhin vergessen die Macher diesmal über die Effekte nicht die Geschichte, sodass die Saga stellenweise doch Lust auf die Fortsetzung macht.