Jan Mayen 12: Riesen aus dem Weltraum, Paul Alfred Müller (Buch)

Jan Mayen 12
Riesen aus dem Weltraum
Paul Alfred Müller
Titelillustration von Walter Rosch
Verlag Dieter von Reeken, 2012, Paperback, 338 Seiten, 22,50 EUR, ISBN 978-3-940679-63-5

Von Carsten Kuhr

Es ist vollbracht, der letzte Sammelband der Neuausgabe im Neusatz liegt vor dem Leser. Ein gutes Jahr hat es gebraucht, bis eine der beiden großen utopisch-phantastischen Abenteuerserien aus der Feder Paul Alfred Müllers komplett und mit Abbildungen der Originaltitelbilder seinen Weg in die Regale der Leser und Sammler fand.

Auch wenn „Sun Koh“ – hier liegen die Rechte für eine Neuausgabe weiterhin ungenutzt beim Schweizer SSI Verlag – die bekanntere der Serien ist, hält auch „Jan Mayen“ für den Liebhaber des phantastischen Abenteuers jede Menge interessanter Einfälle bereit. Es geht um künstliches Wetter, um die Aufhebung von Schwerkraft, die Forscher des Nordwerks haben sich mit der Urbarmachung von Wüsten und Steppenlandschaften beschäftigt, Gold hergestellt und Diamanten gezüchtet. Im Verlauf der Abenteuer stießen Jan Mayen und seine Mitstreiter immer wieder auf fiese Verbrecher, verhinderten deren dunkle Vorhaben und sorgten für Gerechtigkeit. Natürlich durfte auch das zarte Pflänzchen der Liebe nicht fehlen, einige Ehen wurden gestiftet, Liebende fanden zueinander und Nachwuchs wurde in die Welt gesetzt.

In seltener Ausgewogenheit hat der Autor immer darauf geachtet, dass sich rasante Abenteuer, zumeist an exotischen Schauorten angesiedelt, mit utopischen Ideen abwechselten, dann wieder für romantische Verwerfungen Platz war, bevor es voller Tempo in ein weiteres gefährliches Abenteuer ging. Das hat auch heute, gut 75 Jahre nachdem die Romane verfasst wurden, noch das Potential, den Leser an die Seiten zu fesseln. Auch wenn Vieles wissenschaftlich überholt ist, wenn sich die Menschen für heutige Verhältnisse steif verhalten, stünde unserer Gesellschaft ein wenig der damals üblichen Höflichkeit und Hilfsbereitschaft gut zu Gesicht, zieht die packende Handlung den Leser in ihren Bann. Es war einfach auch eine Zeit, in der es ein wenig ruhiger und gesitteter zuging als heute, die Welt noch größer war und man allgemein dem guten Benehmen, der Höflichkeit und der Ehre selbst unter Ganoven noch weit mehr verpflichtet war, als es heute der Fall zu sein scheint. Das wirkt natürlich nostalgisch, aber auch anheimelnd, hat aber eben auch das Zeug den Leser in die Handlung zu ziehen, was man von wenigen Werken aus der Entstehungszeit sagen kann.

Vorliegend haben die Herausgeber dem Buch noch einen Episodenführer beigegeben, desweiteren erwarten die zehn abschließenden Heftromane den Leser.

Zunächst wird der Rätsel um die künstlichen Welten, die ein exzentrischer Millionär an der Grenze zu Kanada angelegt hat, gelüftet. Auf der Suche nach dem verschwundenen Astonit kann Jan Mayen einmal mehr einem jungen Glück auf die Sprünge helfen.

Die indische Fürstin Begam von Boghal möchte ins heimische Reich nach Indien zurückreisen. Ihr Statthalter versucht sie mit technischen Finessen fernzuhalten. Erst als Jan Mayen sich einmischt, gelingt es die Anschläge zu beenden. Dass Begam sich in den charismatischen Nordmann verliebt, muss im nächsten Band Barry leidvoll erfahren. Um Jan Mayen in ihr Königreich zu locken, entführt sie kurzerhand Barry. Zwar gelingt es Jan Mayen, aus dem Klauen der liebestollen Fürstin zu entfliehen, doch verschmähte Liebhaberinnen gehören zu den gefährlichsten Wesen unseres Planeten. Sie verbündet sich mit einem alten Gegner Mayens – Micero spielt wieder mit –, beim Versuch, den Herren der Hudson Bay Company dingfest zu machen.

Natürlich gelingt dies nicht, allen Versuchen zum Trotz, doch statt sich auf das Abschmelzen des Grönland-Eises zu konzentrieren muss Jan Mayen die Welt zunächst vor der Invasion gigantisch großer Aliens retten. Nur mit Hilfe der Erfindungen des Nordwerks gelingt es, die gigantischen Aliens dazu zu bewegen, den Planeten wieder zu verlassen. Dann aber steht der Schaffung des neuen Siedlungsraumes nichts mehr im Wege, Thule taut auf und Jan Mayens Abenteuer finden ihre krönenden Abschluss.

Auch wenn gerade der letzte Band, in dem der Autor, etwas distanziert, von der Umgestaltung der Länder, die bis dahin unter dem ewigen Eis gefangen lagen, fabuliert, verwöhnt PAM den Leser noch einmal mit Allem, was dieser von ihm erwartet. Die bösen Schurken, allen voran natürlich Micero, dürfen noch einmal auftreten, der „Krieg der Welten“ wird als Inspiration einer waschechten Alien-Invasion herangezogen und das große Unternehmen gelingt.

Fährt Müller in den beiden Bänden um die Aliens noch einmal alles auf, was sich der utopisch-phantastische Leser wünscht, so zieht er sich im letzten Band ganz auf die Rolle des fernen Berichterstatters zurück. Distanziert wird das weitere Schicksal der Personen, die uns 120 Hefte lang bestens unterhalten haben, kurz angerissen, bevor der Autor sie dann ihrem weiteren Lebensweg überlässt. Hier werden Geschehnisse, die mehrere Jahre andauerten, in einigen wenigen Sätzen zusammengefasst, ohne groß ins Detail zu gehen.

Überragend dagegen die Beschreibung der Invasion durch die Aliens. Geschickt lässt PAM diese im Geheimnisvollen, merken die riesigen Gestalten doch gar nicht, was sie anrichten und wer verzweifelt versucht, sie davon abzuhalten ganze Städte durch ihre Bewegungen dem Erdboden gleichzumachen. Gekonnt vergleicht er die sich wehrenden Menschen mit kleinen Mücken, die einem Elefanten aufzuhalten versuchen, lässt den Besuchern aus dem Weltenraum ihre Geheimnisse und öffnet damit dem Leser die Möglichkeit, die Forscher selbst mit Leben zu füllen. Noch einmal fährt Müller dann all die technischen Wunderwerke und Erfindungen der letzten gut 110 Bände auf, bevor er die Handlung zu einem gekonnten, wenn auch nicht krönenden im Sinne von den Leser mitreißenden Finale, führt.

Auch wenn „Sun Koh“ vielleicht noch ein wenig exotischer, ein wenig actionreicher dahergekommen ist, hat „Jan Mayen“ seine Stärken in den von Müller aufgegriffenen technischen Entwicklungen und Erfindungen sowie der gekonnten Darstellung der politischen und wirtschaftlichen Folgen, die ein solcher Plan unweigerlich nach sich ziehen würde. Es mag sein, dass der Erbe von Atlantis die charismatischere Hauptfigur gewesen ist, doch auch Jan Mayen hat die Leser bewegt, hat sie an die Seiten gefesselt und vorzüglich unterhalten. Insofern ist dem Verleger wie auch den Nachlassverwalter zu danken, dass sie die Neuausgabe möglich gemacht haben, und mir zumindest unvergessliche Schmökerstunden bereitet haben.