Trudi Canavan: Sonea: Die Hüterin (Buch)

Trudi Canavan
Sonea: Die Hüterin
(The Ambassador’s Mission)
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Titelillustration von Maximilian Meinzold
Penhaligon, 2010, Hardcover, 576 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3041- 9 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

„Die Hüterin“ setzt „Die Gilde der Schwarzen Magier“ fort und knüpft zugleich an das Prequel beziehungsweise den Oneshot „Magie“ an.

Zwanzig Jahre sind vergangen, seit der Krieg zwischen Kyralia und Sachaka vorüber ist, und beide Länder wagen eine vorsichtige Annäherung, indem sie Botschafter austauschen und Handelsbeziehungen unterhalten. Dennoch bleiben die Kyralier wachsam, denn in ihren Reihen gibt es lediglich zwei Schwarze Magier – einer davon ist Titelheldin Sonea –, da es der ethischen Gesinnung widerspricht, Menschen ihre Kraft abzuzapfen, um die eigene Magie zu stärken. Die Sachakaner kennen keine solche Skrupel und halten zudem Sklaven, die von ihnen oft schlechter behandelt werden als Vieh.

Plötzlich taucht in Imardin ein Wilder Magier auf, der es offenbar auf Diebe und ihre Angehörigen abgesehen hat. Cery gehört zu denen, die ihre Familie verlieren, und von da an kennt er nur ein Ziel: den Mörder zur Strecke zu bringen. Zu diesem Zweck verbündet er sich mit einem aufstrebenden Dieb, der bereits einige Stadtviertel unter seine Kontrolle gebracht hat. Cery zögert, seinem Kollegen zu vertrauen, doch bleibt ihm keine Wahl, da Soneas Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, so dass sie ihm nur bedingt helfen kann und andere Magier einweihen muss, wobei sie gegenüber einem gewisse Vorbehalte hat.

Doch noch etwas anderes beschäftigt Sonea: Ihr Sohn Lorkin möchte Lord Dannyl als Assistent nach Sachaka begleiten, obwohl seine Mutter und auch sein verstorbener Vater dort von vielen als Feinden betrachtet werden, waren sie doch beide maßgeblich an der Niederlage des Nachbarreichs beteiligt. Der junge Mann setzt seinen Willen durch und begleitet den neuen Botschafter nach Sachaka, wo beide hoffen, Informationen zu gewinnen, um Lücken in der Geschichte beider Länder zu schließen – und vergessene Magie zu finden.

Schon bald stellt sich heraus, dass Soneas Sorgen nicht unbegründet sind. Eine Sklavin versucht, Lorkin zu ermorden und wird im letzten Moment von Tyvara, einer anderen Sklavin, für die er Gefühle zu entwickeln beginnt, gerettet. Sie müssen in das Versteck der sogenannten Verräterinnen fliehen, einer Gruppe Frauen, die verbotenerweise Magie praktizieren und das Gesellschaftssystem der Sachakaner seit einigen Generationen unterwandert haben. Allerdings wünschen einige Verräterinnen Lorkins Tod…

Kennt man die vorherigen Bände nicht, so findet man dennoch problemlos in die Handlung von „Die Hüterin“ hinein. Es werden kaum Bezüge zu früheren Ereignissen geknüpft, und wenn, dann wurden sie stellenweise sogar ein wenig umgeschrieben und für die neue Geschichte passend gemacht. Auf Beschreibungen der Charaktere verzichtet die Autorin völlig, denn entweder trägt man bereits ein Bild von ihnen in sich oder macht sich selber eines.

Es gibt vier wichtige Schauplätze mit ihren jeweiligen Protagonisten, die entweder zu einem späteren Zeitpunkt zusammengeführt oder getrennt werden: In Imardin sorgt sich Sonea um ihren Status innerhalb der Gilde, um ihren Sohn und eine neue Droge, die sich auch in Magierkreisen auszubreiten beginnt und so manchen von ihnen bewegt, mit Verbrechern zu paktieren. Sie muss gegen Regeln verstoßen, um Cery beistehen zu können, der einem Magie begabten Mörder auf die Spur kommt. In Sachaka lernt Lord Dannyl seinen Kollegen Achati kennen – und sehr zu schätzen. Der Sachakaner macht deutlich, dass er sich mehr als Freundschaft wünscht, und Dannyl weiß nicht, ob sein gegenwärtiger Gefährte, von dem er sich entfremdet hat, nach der Rückkehr noch auf ihn warten wird. Beide suchen nach Lorkin, der mit Tyvara zu den mysteriösen Verräterinnen geflohen ist und dort als Botschafter von Kyralia bleiben möchte, selbst wenn ihn einige Schikanen erwarten.

Auf diese Weise schafft der Auftaktband die Grundbedingungen für das Kommende, denn wenngleich einige Antworten gegeben werden, bleiben doch noch sehr viele Fragen offen, insbesondere nach den Zusammenhängen und Konsequenzen all der geschilderten Ereignisse.

Die kulturellen Unterschiede zwischen den Reichen Kyralia und Sachaka wirken nicht mehr ganz so kontrastreich wie in den früheren Bänden, was zweifellos daran liegt, dass auf die ethische Gesinnung Ersterer kaum noch eingegangen wird, während Letztere mit Personen aufwarten, die ihre Sklaven nicht mit unnötiger Grausamkeit behandeln, zudem durch die Verräterinnen eine Gruppe ins Spiel kam, deren Vertreter relativ gleichgestellt sind und nicht zwischen Herrinnen und Sklavinnen trennen. Aber auch die Charakterisierung der Protagonisten bleibt leider etwas oberflächlich. Ihr Handeln spricht für sich, doch verläuft es in traditionellen und klischeehaften Bahnen, motiviert durch zum Beispiel den Rachewunsch, jugendliches Aufbegehren, Neugierde, Liebe etc., sodass die Figuren wie Fantasy-Archetypen und nicht wirklich lebendig wirken.

Allerdings weiß die Autorin mit dieser Serie immer noch besser zu unterhalten als mit der Trilogie „Das Zeitalter der Fünf“, die aufgrund langwieriger Reisebeschreibungen lange nicht auf den Punkt kommt und auch durch nicht durch interessante Protagonisten zu fesseln vermag. Trudi Canavan wird seit ihrem Debütroman „Die Rebellin“ hochgelobt, bleibt seither jedoch mit ihren Büchern hinter den Erwartungen zurück.

Hat man die erste Trilogie um „Die Gilde der Schwarzen Magier“ mit Spannung gelesen, wird man gewiss erfahren wollen, was den Charakteren weiter zustößt. Es passiert zwar viel, aber die Handlung zerfasert immer wieder, und die Figuren wirken blass. Ob der neue Dreiteiler ebenso gefällt, bleibt abzuwarten, denn die Autorin wird sich wohl steigern müssen, um die Leser dauerhaft fesseln zu können.