Lavie Tidhar: Bookman (Buch)

Lavie Tidhar
Bookman
Das ewige Empire 1
(The Bookman)
Aus dem israelischen Englisch übersetzt von Michael Koseler
Titelillustration von David Frankland
Piper, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 424 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-492-70242-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wo habe ich nur das Rezept für einen Steampunk-Bestseller gelassen? Ach ja, hier ist es. Man nehme also einen jungen, entwicklungsfähigen Protagonisten, mit dem der Leser zusammen die ihm fremde Welt erkunden kann, dazu eine viktorianische Umgebung – bevölkert von bekannten Persönlichkeiten aus der Realität wie der Kunst – und phantastische mechanische Wesen. Fertig ist der Bestseller; lassen Sie es sich gut schmecken. Nun Lavie Tidhars Debütroman enthält all diese Bestandteile und ist doch anders, so ganz anders, als die Werke, die uns die Verlage sonst vorstellen.

Der junge Orphan, wie der Name schon sagt eine Waise, ein angehender Dichter, der seine Zeit bis zum Durchbruch als Helfer in einem Antiquariat überbrückt, ist verliebt. Nun, das ist nun wirklich nichts überwältigend Neues, werden Sie zurecht anmerken – dass seine Lucy aber bei Start der ersten Marssonde im Auftrag der echsenartigen Königsfamilie einem heimtückischen Sprengstoff-Anschlag des Bookmans zum Opfer fällt, ist zumindest nicht unbedingt üblich.

Als Premierminister in Diensten der Les Lézards, der das Empire beherrschenden Echsen, wurde ein gewisser Moriarty inthronisiert, Irene Adler leitet die Ermittlungen des Yard und auch ein im Hintergrund Informationen sammelnder Mycroft Holmes darf natürlich nicht fehlen.

Während Karl Marx sich bei nächtlichen Hahnenkämpfen vergnügt, und ein künstlicher Lord Byron nicht nur Gedichte rezitiert, sondern Orphan auch Tipps gibt, wo er den Bookman suchen kann, macht Orphan sich zunächst widerwillig auf die Pirsch. Er will seine tote Lucy, Orpheus nachahmend, aus dem Klauen des Todes zurückholen, will das Rätsel um den Bookman aufklären und kommt dabei der Herkunft der Lézards und seiner Abstammung bedrohlich auf die Spur. Dass dies seiner Gesundheit nicht eben zuträglich ist, versteht sich von selbst…

Tidhar spielt virtuos auf der Klaviatur des Phantastischen Romans. Unbekümmert und ohne jegliche Scheu bedient er sich bei der Weltliteratur ebenso wie bei historischen Persönlichkeiten, zeichnet diese interessant und pietätlos, dafür aber eben auch lebensecht und vielschichtig. Was dabei herauskommt ist ein Werk, das immer wieder unerwartete Wendungen nimmt, das überrascht und fasziniert. Natürlich ist das Gebotene überzeichnet, verrückt und überdreht; dabei aber auch fesselnd und unterhaltsam.

Mit jeder Menge literarischer Anspielungen bestückt macht sich der Leser an der Seite seines Protagonisten auf, die Rätsel zu erforschen. Es geht um eine Alien-Invasion – und das bei einem Steampunk Roman!, – um Revolution, um Kunst und Dichtung, Schatzsuche und herrliche Abenteuer. Das wirkt ein wenig überfrachtet, etwa, wenn die Nautilus auf Piraten stößt, oder die Schatzinsel von künstlichen Lebewesen geschützt wird, wenn Tote in künstlichen Körpern wieder zum Leben erweckt werden und Roboter und Cyborgs ihre Freiheit und Selbstbestimmung fordern, und übt doch einen unbändigen Reiz auf den Leser aus.

Das ist bestes Abenteuergarn, überkandidelt, übe-brodelnd und herrlich verrückt – so ganz anders, als das Gewohnte eben.