Zwerg 1: Wyrïmir (Comic)

Zwerg 1
Wyrïmir
(Dwarf: Wyrïmir)
Text & Zeichnungen: Shovel (Mario Sénéchal)
Übersetzung: Resel Rebiersch
Splitter, 2012, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-408-6

Von Frank Drehmel

Die Geburt des Zwerges Oth stand unter einem düsteren Stern: nicht nur, dass seine Mutter noch im Kindbett starb, der Säugling war auch mit einem Mal gezeichnet, das nach dem Gesetze König Traorigs den Tod bedeutete. Doch Oths Vater konnte den kleinen Sohn nicht ermorden und floh mit dem Kind in den tiefen, dunklen und gefährlichen Wald Belouve, einen Angst einflößenden Ort, den die von den Zwergen gefürchteten Sylven durchkämmten und der von Waldgeistern beherrscht wurde.

Die Jahre gingen ins Land gegangen und Oth wuchs zu einem stattlichen jungen Zwerg heran, den sein Vater neben dem Überleben das meisterliche Schmiedehandwerk lehrte. Heute steht der Junge am Sterbebett des tödlich verwundeten Vaters, hört aus dem Mund des Sterbenden seine Lebensgeschichte, vollzieht schließlich nach dessen Tod die notwendigen Rituale einschließlich der feurigen Bestattung und flieht schließlich in Erfüllung eines Versprechens tiefer in den Wald.

Während der junge Zwerg, der aus unerfindlichen Gründen und zur eigenen Überraschung unversehens der Sprache der Tiere mächtig ist, dort einem merkwürdigen neuen Verbündeten trifft, eine Kröte namens Albin von und zur Pfützen, kommen ihm die Häscher des Königs, die auch nach Jahren die Suche nie aufgegeben hatten, aufgrund des feurigen Fanals des toten Vaters auf die Spur. Allerdings haben die Häscher ihre Rechnung ohne die amazonenhaften Sylven gemacht, welche zahlreiche Zwerge gnadenlos niedermetzeln, um danach aus dem Mund eines Gefangenen erstmals von Oth sowie dem Suchauftrag des Königs erfahren.

Unterdessen begeben sich der Gezeichnete und Albin unter dem Schutz eines mächtigen Keilers namens Wyrïmir zum weisen Syrius, von dem der junge Zwerg nicht nur von seiner prophezeiten Bestimmung als neuer König erfährt, sondern auch von einer Widerstandsgruppe gegen den alten Herrscher. Bevor sich jedoch Oth auf den weiteren Weg machen kann, tauchen zunächst wilde Tiere – Wölfe und Schwarzwild –, dann Zwerge und schließlich Sylven vor Ort auf; es kommt zu einem blutigen Kampf, der mit der Gefangennahme Oths durch die Sylven endet.

Im Dorf der Amazonen und im Angesicht des Todes durch das Richtschwert einer der Kriegerinnen kann Oth die Herrscherin, Prinzessin Demer, durch sein vollkommen furchtloses Auftreten davon überzeugen, ihm die Freiheit zu schenken; im Austausch dafür bietet er der Königin Gerechtigkeit für ihr Volk. In der Tat lässt ihn Demer in Begleitung einer ihrer Kriegerinnen gen Zwergenstadt ziehen, wo Oth seine Bestimmung suchen soll und will. Doch erstens kommt es anders und zweitens als er denkt.

Unglaublich, wieviel Handlung und Inhalt man auf 48 Seiten unterbringen kann. Mit „Wyrïmir“ ist Shovel ein Serienauftakt gelungen, der zwar einerseits aus dem Vollen altbekannter Bilder und Klischees schöpft – so entsprechen beispielsweise die Zwerge und Sylven äußerlich wie auch im Auftreten durchaus sattsam bekannten Stereotypen –, der aber anderseits den Leser mit so vielen Details, so viel Handlung, so vielen angedeuteten Rätseln – zum Beispiel welcher Art das Mal ist, das den jungen Oth zum Verfolgten macht – und offenen Fragen schier überwältigt, dass er kaum Zeit hat, darüber nachzudenken, woher er nun einzelne Elemente der Geschichte kennt. Die lebendige, hin- und herwogende, abenteuerliche und fabelhafte Story überzeugt nicht nur durch bloße Fülle, sondern auch durch gefällig inszenierte Action sowie insbesondere die interessanten Nebenfiguren aus den Bereich der Fauna, gegen die der Hauptcharakter Oth zuweilen etwas blass erscheint.

Das in der Panel-Aufteilung relativ kleinteilige Artwork Shovels überzeugt ebenfalls durch einen Detailreichtum der einzelnen Bilder, frische Wechsel von Perspektiven und Einstellungen und durch das Schaffen von echten Typen mit Wiedererkennungswert. Die Koloration Fogolims folgt alles in allem einem naturnahen Ansatz, der unterschiedlichen Handlungsorten und Zeiten – das warme Licht des Innen gegen das kalte Licht des Draußen, die farbschluckende Nacht gegen den farbklaren Tag – Rechnung trägt.

Fazit: Eine stimmungsvolle, stimmige und abenteuerliche Geschichte, deren dichte, intensive Handlung, deren Figuren und zahlreichen Rätsel neugierig auf den Folgeband „Razoark“ machen. Ein äußerst gelungener Einstiegsband in eine Phantasie-Welt, die durchaus einiges episches Potenzial bietet.