Halo: Kryptum – Die Blutsväter-Saga 1, Greg Bear (Buch)

Halo: Kryptum
Die Blutsväter-Saga 1
Greg Bear
(Halo: Cryptum – The Forerunners Saga Book 1)
Übersetzung: Tobias Toneguzzo & Andreas Kasprzak
Panini, 2011, Hardcover, 364 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-8332-2126-2

Von Frank Drehmel

Seit rund einer Dekade gehört die „Halo“-Serie zu den erfolgreichsten Ego-Shootern für X-Box und PC; in mehreren Fortsetzungen, Spin-Offs und Add-ons sowie Sachbüchern, Comics und Romanen haben zahlreiche Akteure ein fiktives Universum entworfen, in dem nicht nur der Kampf ums Überleben im Mittelpunkt steht, sondern das auch durch seine Hintergrundgeschichte beziehungsweise Historie zu überzeugen vermag, nicht zuletzt dank solcher Romane wie „Kryptum“.

Autor Greg Bear führt uns in seiner Geschichte in eine Vergangenheit, in der die Blutsväter Jahrtausende nach ihrem vernichtenden, totalen Sieg über die Allianz von Menschen und San'Shyuum (noch) die Geschichte der Galaxis bestimmten, in eine Zeit, in der sich jedoch erste Anzeichen für den Untergang dieser Spezies am kosmischen Horizont abzeichnen. Und auf Erde-Tyrene nehmen die Ereignisse ihren Anfang, die das Schicksal der Blutsväter vorzeichnen sollen.

Sterngeborener Der-Dauerhaftes-erbaut, ein rebellischer junger Manipulator und die Nullform seiner Spezies, sucht auf dem Planeten nach Artefakten der Vorläufer, jener mythischen Rasse, die einst Menschen wie Blutsväter geschaffen haben soll. Begleitet von Chakas und Morgenwächter, zwei Menschen, die durch ein Gaeas, ein vom größten Lebensforscher der Blutsväter – dem (weiblichen) Bibliothekar – genetisch implantiertes Wissen geleitet werden, und der ebenfalls vom Bibliothekar geschaffenen KI seines Schutzanzuges findet er jedoch kein Erbe der Vorläufer, sondern auf einer Insel ein Kryptum, ein Kriegergrab. In diesem Grab ruht seit vielen Tausend Jahren nicht irgendein Krieger seines Volkes, sondern der Didaktiker, der wohl bewundertste und verdammteste Held der Blutsväter-Geschichte, der große Sieger über Menschen und San'Shyuum und Ehemann des Bibliothekars.

Sterngeborener gelingt es, den alten Krieger zu erwecken. Nachdem sich der junge Blutsvater und der mächtige alte Prometheaner mehr oder weniger arrangiert haben und zur Erkenntnis gelangt sind, dass hinter ihrem Zusammentreffen an diesem Ort ein komplizierter Plan des Bibliothekars stecken muss, machen sie sich in Gesellschaft Chakas und Morgenwächters auf eine kosmische Odyssee, auf eine Suche, in deren Verlauf Sterngeborener immer mehr Distanz zu seiner eigenen Spezies aufbaut, da er erkennt, dass hinter dem friedlichen Äußeren und den salbungsvollen Lobreden auf sich selbst, auch die Blutsväter willens sind, Tod und Vernichtung zu säen und ihren Feinden Unbeschreibliches anzutun.

Der junge Manipular, der während der Reise in einem fast vergessenen Ritual durch den Didaktiker zu einer Erstform transformiert wird – jedoch nicht, wie vorgesehen, zu der eines Erbauers, sondern zu der eines Kriegers – erfährt von den Halos, den mächtigsten Waffen, die die Blutsväter zu schaffen in der Lage waren, und er hört zum ersten mal von der „Flood“, jener kosmischen Seuche, die die Menschen einst an den Rand der Galaxis zurückdrängten und die nun mächtiger und tödlicher als zuvor zurückkehrt.

Wer nach den ersten „Halo“-Romanen auch diesmal eine Fortschreibung des Gemetzels mit anderen Mitteln erwartete, wird sich schon nach den ersten Kapiteln angewidert abwenden. Denn erstens hat Greg Bears Geschichte allenfalls einen losen Bezug zu den Spiele-Inhalten, da ihre Handlung Jahrtausende vor der Geburt des Master Chiefs und seiner Spartaner-Kumpel spielt, und zweitens ist nicht nur der Beginn der Story von fast schon spiritueller, mystischer Ruhe. Behutsam und ohne großes Blutvergießen umreißt Greg Bear einen geradezu epischen Hintergrund, skizziert mit den Blutsvätern eine exotische Spezies und Gesellschaft – zwar nicht bis ins Detail, dafür aber lebendig und spannend – und entwickelt seine Figuren aus der Ich-Perspektive eines jungen Blutvaters so plausibel und fesselnd, dass „Kryptum“ als Space Opera- und weniger als Military SF – problemlos für sich selbst stehen kann.

Sicherlich ist nicht nur der lineare Aufbau der Geschichte mit ihren vergleichsweise wenigen Protagonisten kein Beispiel für verkopfte Science Fiction, dafür jedoch ist Bears Stil äußert gefällig und so bildhaft, dass sich auch Leser angesprochen fühlen, die mit spielebezogenen Fachtermini wie „Dekonstruktor der Schicksalsklasse“ wenig anfangen können. Man muss nicht wissen, wie so ein Ding im Einzelnen aussieht, da man fühlt, dass es ziemlich groß und ziemlich gemein ist ... und das reicht.

Fazit: Eine leichte, gefällige Space Opera vom Feinsten, die sich, zumal keinerlei Vorkenntnisse erforderlich sind, eher an Freunde epischer SF wendet, als an actionaffine „Halo“-Fans, die gerne mal durch Seen virtuellen Blutes waten.