Lisa J. Smith: Der geheime Bund – Visionen der Nacht 2 (Buch)

Lisa J. Smith
Der geheime Bund
Visionen der Macht 2 (von 3)
(Dark Visions – The Possesed, 1995)
Aus dem Amerikanischen von Anne Emmert
Titelgestaltung von HildenDesign/Birgit Gitschier unter Verwendung eines Motivs von Martyna Dziekan
cbt, 2011, Taschenbuch, 284 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-570-38001-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Kaitlyn, Anna, Rob, Lewis und Gabriel sind fünf Jugendliche, die an parapsychologischen Experimenten teilnehmen, mit denen man ihre Gaben erforschen will und durch die sie lernen sollen, ihre Kräfte zu kontrollieren. Das Entsetzen ist groß, als zufällig herauskommt, dass das Institut in Wirklichkeit dazu dient, die Begabten in eine Einsatztruppe zu verwandeln, die den Befehlen des vermögenden Mr. Zetes gehorchen.

Den jungen Leuten gelingt die Flucht, aber sie wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen – denn wer würde ihnen schon glauben? Die Eltern vielleicht, aber dann wären sie als Mitwisser gleichfalls in Gefahr. Die Teenager beschließen, ihren Visionen zu folgen und nach einem weißen Haus an der Küste zu suchen. Dort scheinen Menschen zu leben, die die Wahrheit kennen und ihnen helfen können.

Unterstützung haben die Freunde auch dringend nötig. Ein telepathisches Band besteht zwischen ihnen, das bloß gebrochen werden kann, wenn einer von ihnen stirbt. Seit dem Kampf gegen Mr. Zetes werden Gabriels Kräfte immer stärker, doch muss er dafür einen Preis zahlen, der ihn von den anderen immer mehr entfremdet. Als Kait sein Geheimnis entdeckt, möchte sie ihm helfen und erfährt dadurch etwas, was sie gar nicht wissen wollte und was ihre und Robs Liebe in Gefahr bringt.

Damit nicht genug ist Mr. Zetes immer noch hinter seinen entflohenen Schützlingen her und greift sie auf parapsychischer Ebene an. Unerwartet hilft ihnen ein junges Mädchen aus der Patsche. Allerdings handelt es sich bei Lydia um jemanden, dem zu vertrauen vor allem Kait und Gabriel schwer fällt. Schließlich erreichen alle sechs ihr Ziel und erleben eine herbe Enttäuschung, die tragische Konsequenzen nach sich zieht…

Nachdem die Jugendbuch-Serie „Visionen der Nacht“ als SF-Reihe startete, wendet sie sich nun zunehmend der Mystery und Fantasy zu. Geisteskräfte, die zunächst auf wissenschaftlicher Basis erklärt und frei nach „Ghostbusters“ und „Akte X“ erforscht wurden, erhalten jetzt einen magischen touch, denn plötzlich ist von ‚bösen‘ und ‚guten‘ Kristallen als Schlüsselelementen und Quellen großer Macht die Rede, die Jugendlichen bezeichnen selber ihre Gaben als Magie, und dann kommt auch noch der Mythos von einem untergegangen Volk, in dem man unschwer die Atlanter erkennt, hinzu.

Wie es für ‚Mittelbände‘ typisch ist, entwickeln sich Handlung und Charakteren nur unwesentlich weiter, und es werden bloß die notwendigsten Informationen gegeben, damit noch einige Überraschungen für das Finale bleiben. In Folge findet man sich in dem Äquivalent eines ‚Road-Movies‘ wieder: Die Teenager befinden sich auf der Flucht, müssen im Auto und in leer stehenden Häusern übernachten, sich auf öffentlichen Toiletten waschen und mit wenig Geld auskommen, um nicht zu Einbrechern und Dieben zu werden. Zwar wird ihnen immer wieder geholfen, wenn sie nicht mehr weiter wissen, doch der Gegner, auf dessen Motivation nicht näher eingegangen wird – er giert nach Macht und will die Kinder benutzen –, versucht regelmäßig, sie wieder in seine Gewalt zu bekommen.

Als die Jugendlichen, deren Kreis um eine Person erweitert wurde, eine Zuflucht finden, werden die Probleme nicht weniger, im Gegenteil. Was sie dort erfahren und erleben, leitet direkt zum dritten und letzten Teil, „Der tödliche Bann“, über. Um zu erfahren, ob die jungen Helden letztlich alles zum Guten wenden können und ihr abtrünniger Gefährte zu ihnen und der ‚guten Seite‘ zurück findet, muss man sich auch den Abschlussband zulegen.

Die Lektüre ist mäßig spannend, geradlinig und altersgerecht. Die Konflikte werden auf relativ unblutige Art geregelt, trotz Problemen innerhalb der Gruppe arrangiert man sich immer wieder mit erstaunlicher Vernunft, die romantischen Beziehungen bleiben clean, und selbst die ‚Dreiecksbeziehung‘ bringt keine zusätzlichen Verwicklungen. Die Story und ihre Figuren erinnern von der Thematik her an die X-Men oder New Mutants, die sich vor den ‚normalen‘ Menschen verbergen müssen und sich vor Personen fürchten, die ihre Kräfte missbrauchen wollen. Mit dem Atlantis-Mythos kommt ein weiteres vertrautes und beliebtes Element dazu.

In der Summe ergeben die Versatzstücke eine unterhaltsame, aber keineswegs komplexe Trilogie für Leserinnen zwischen 13 und 15 Jahre, die durch Titel wie „Vampire Diaries“, „Night World“ oder „Der magische Zirkel“ auf Lisa J. Smith aufmerksam wurden.