Elspeth Cooper: Die Lieder der Erde (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 28. November 2011 21:03

Elspeth Cooper
Die Lieder der Erde
(The Wild Hunt)
Aus dem Englischen übersetzt von Michael Siefener
Titelillustration von Nele Schütz Design
Heyne, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 558 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-26713-8 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Im Heiligen Buch von Eador heißt es: ein jeder, der sich der Hexerei schuldig machtm muss sterben. Das muss auch der Tempelnovize Gair am eigenen Leib schmerzhaft erfahren. Dabei hat er nur, unvorsichtig wie er ist, mit seiner Gabe, den Weltenstrom zu spüren, herumgespielt und ein simples Licht beschworen.
Was vor Generationen noch dazu geführt hätte, dass er in die Obhut der Hüter gegeben worden wäre, die seine ihm innewohnende Gaben gefördert und ausgebildet hätten, das führt nun dazu, dass ihn die Ritter im Dienste der Kirche gnadenlos foltern und auf den Scheiterhaufen bringen wollen. Nur dem Eingreifen eines mysteriösen älteren Mannes ist es zu verdanken, dass er begnadigt, gebrandmarkt und verbannt wird.
Dass nicht alle Ritter mit der Milde, die ihrem einstigen Ordensbruder angediehen wird, einverstanden sind, führt dazu, dass seine Flucht etwas aufregender und gefährlicher abläuft, als geplant. Auf den Westinseln hat sein Retter, einer der letzten, von der Inquisition übersehenen Hüter des Schleiers, der die Welt vor der Dimension der Engel und Dämonen schützt, eine Akademie aufgebaut, die angehende Hüter, Menschen, die den Sang rufen können, ausbildet.
Hier findet auch Gair Aufnahme. Dass er Kräfte sein Eigen nennt, die selbst bei seinen Ausbildern Bewunderung hervorrufen, dass er neben der gehbehinderten Aysha der Einzige ist, der seine Gestalt wandeln kann, sorgt dafür, dass sich Meisterin und Schüler auch emotional näher kommen. Als dann jedoch der Schleier zwischen den Dimensionen immer durchlässiger wird, ist es an Gair, sein Leben und Schicksal in die Waagschale zu werfen…
Was ist das für ein Debütroman, den uns Heyne und sein Herausgeber, Sascha Mamczak, besonders ans Herz legen? Zunächst einmal erwartet den Fantasy-kundigen Leser ein gewohntes Szenario. In einer mittelalterlichen Welt herrscht der Klerus mit eiserner Hand und Furcht über die Menschen. Wer sich nicht Mutter Kirche absolut unterordnet, wer nur ein wenig außerhalb der eingefahrenen Wege unterwegs ist, der wird gnadenlos verfolgt. Gerade diesen Beschreibungen merkt man dem Roman seine Nähe zum Vorbild der katholischen Inquisition an. Als Widerpart zu der streng hierarchisch und auf Zwang ausgelegten kirchlichen Machtpyramide hat die Autorin dann ihre Akademie auf den paradiesischen Inseln angelegt. Hier herrscht Freiheit, wird niemand wirklich zu etwas gezwungen, sondern wird die Selbstbestimmung als höchstes Gut gepflegt.
Der Plot selbst ist sehr komplex, dabei aber geschickt aufgebaut. Mit dem Fokus auf dem Protagonisten erzählt die Autorin ihre Geschichte, die, auch wenn sie eher die leisen Töne pflegt, den Leser schnell in ihren Bann zieht. Ohne große Einleitung wirft Cooper ihre Leser gleich mitten hinein in die Geschichte, lässt sie durch die Augen ihres Helden die Welt entdecken, dessen Kräfte entwickeln, die letztlich in den dramatischen Entwicklungen zum Einsatz kommen.
Natürlich ist das von der Grundanlage her nicht neu, hat man Ahnliches bereits häufiger vorgesetzt bekommen. Allerdings gelingt es der Autorin, ihre vielschichtig gezeichneten Gestalten mit Leben zu erfüllen, uns um sie sorgen zu lassen. Und genau das ist es, was diesen Roman aus dem üblichen Allerlei der Verlage heraushebt.
Einem etwas ruhigeren Mittelteil folgt dann ein packendes Finale, das aber so manche Fragen für den nächsten, in Vorbereitung befindlichen Band offen lässt.