Stephan Russbült: Dämonengold (Buch)

Stephan Russbült
Dämonengold
Bastei-Lübbe, 2011, Paperback, 560 Seiten, 14,00, ISBN 978-3-404-20001-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Der Magier Nemrothar beschwört mit Baazlabeth einen mächtigen Kriegsdämon, der nur deshalb die Stadt Brisenburg nicht verheert, weil der Pakt ihn zwingt, erst durch ehrliche Arbeit 5000 Goldstücke zu erwerben, bevor er seine Freiheit zurückerhält. Baazlabeth ist alles andere als begeistert von dieser schmachvollen Aufgabe, aber er muss sich an die Regeln halten, will er nicht an Ansehen verlieren – und sich schon bald an Nemrothar rächen.

Allerdings erweist es sich als überaus schwierig, die Holzkiste, die der Magier ihm gab, mit Gold zu füllen, denn körperliche Arbeit wird bloß gering entlohnt, und nicht hinter jedem Auftrag stecken ehrliche Motive. Hinzu kommt, dass seltsame Dinge in Brisenburg geschehen, so dass die Stadtwache Fremden gegenüber besonders misstrauisch ist. Obwohl sich Baazlabeth einen menschlichen Körper zulegte und sich Sil nennt, gelingt es ihm nicht, den Verdacht der Soldaten und der Inquisitoren zu zerstreuen. Dabei kann er wirklich nichts dafür, dass Personen, die ihm Übles wollen, sterben – schließlich ist er ein Dämon und tut nur das, was in seiner Natur liegt …

Stephan Russbült outet sich in seiner kurzen Vorstellung als begeisterter Rollenspieler. Darum wundert es auch nicht, dass sich „Dämonengold“, der erste von vermutlich drei Bänden, die sich um Baazlabeth ranken, ein wenig so liest, als lägen den Geschehnissen Spielzüge zugrunde. Die Hauptfigur, aus deren Sicht die Ereignisse geschildert werden, tappt von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, von Falle zu Falle, von Revanche zu Revanche, eine Dummheit des Gegenspielers, das unverhoffte Eingreifen dritter, und der glückliche Zufall sorgen für unerwartete Wendungen. Trotzdem wird man überraschend gut von dem Roman unterhalten, selbst dann, wenn man Rollenspielen nicht viel abgewinnen kann und von Autoren mit diesem Hintergrund beziehungsweise entsprechenden Serien bereits enttäuscht wurde. Denn es gelingt Stephan Russbült, den Leser schnell für sich einzunehmen. Das liegt vor allem an Baazlabeth, den er nicht vermenschlicht, sondern ihn als ein Wesen erscheinen lässt, das sich an ganz andere – dämonische – Prinzipien hält. Dadurch wirkt der Charakter interessant, glaubwürdig und sogar sympathisch. Obgleich er ein Anti-Held ist, durchaus grausam handelt und tötet, wird ihm im Vorfeld stets ein Grund dafür gegeben.

Als Leser sieht man Brisenburg und die anderen Figuren durch die Augen des Dämons: Der Ort wird in allen notwendigen Details beschrieben, so dass man sich die Gegebenheiten (auch Dank der Karte auf der Innenseite des Umschlags) bildlich vorstellen kann, und auch die Figuren sind sehr individuell gestaltet, wirken realistisch und kauzig. Immer wieder hinterfragt Baazlabeth alltäglich Dinge, über die sich keiner Gedanken macht, und tatsächlich kommt er dabei Doppeldeutigkeiten und Widersprüchen auf die Spur. Vor allem durch seine Kommentare wird Humor in die Story getragen; nicht der überbordende Klamauk eines Terry Pratchetts sondern eher der augenzwinkernde Wortwitz eines Fritz Leibers. Darüber vermisst man dann auch nicht jene Stützpfeiler phantastischer Romane, die sonst fast immer im Vordergrund stehen: Action und Romantik. Natürlich gibt es Verfolgungsjagden und Kämpfe beziehungsweise bekommt es der Dämon auch mit Dirnen und perversen Priestern zu tun, aber diese Szenen fügen sich eher unauffällig und würzend in das ausgewogene Gesamte. Dreh- und Angelpunkt ist Baazlabeth, sein Denken und Handeln. Es dauert eine ganze Weile, bis Baazlabeth herausfindet, warum er beschworen wurde und welche Rolle ihm in dem ganzen verwinkelten Intrigenspiel zugedacht ist. Hier hat es der Autor schon etwas zu gut gemeint, denn als Leser konzentriert man sich auf die einzelnen Aktionen des Dämons und verliert darüber fast den roten Faden, der sie zusammenhält und zum (vorläufigen) Finale führt. Kein noch so nebensächlich wirkendes Detail wird vergessen, auf alle Fragen gibt es eine Antwort – und am Ende des Buchs möchte man wirklich gern wissen, was Baazlabeth in „Dämonenzeit“, der Fortsetzung, in Brisenburg treiben wird.

Hätte man den Hinweis auf die Rollenspiel-Begeisterung des Autors ausgelassen, würde so mancher Fantasy-Freund gewiss weniger voreingenommen an den Roman herantreten. Wer sich nicht davon abschrecken lässt, wird auf jeden Fall angenehm überrascht, insbesondere dann, wenn er die humorige Variante, ungewöhnliche ‚Helden‘ und realistische Szenarien schätzt.

Von Stephan Russbült liegt bereits eine andere in sich abgeschlossene Fantasy-Trilogie vor: „Die Oger“, „Der Rubin der Oger“ und „Blutiger Winter“. Leider ist nicht ersichtlich, ob „Dämonengold“ und die Folgebände in derselben Welt angesiedelt sind.