Jörg Weigand (Hrsg.): Zwei Engel der Nacht (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 25. Juni 2011 13:37

Jörg Weigand (Hrsg.)
Zwei Engel der Nacht
Titelillustration von Rainer Schrom
Innenillustrationen Andrä Martyna
Fabylon, 2011, Taschenbuch, 254 Seiten, 13,00 EUR, ISBN 978-3-927071-33-9
Von Carsten Kuhr
Engel, ein Wort, ein Thema, das die Gemüter immer beschäftigt. Gibt es die Engel wirklich, wachen sie über uns, sind sie die Sendboten Gottes oder eher dessen Krieger? Fragen, auf die es keine verifizierten Antworten gibt. Hier geht es um Glauben, um Gefühle, nicht um Wissen. Dennoch, oder gerade darum, beschäftigen sich Viele mit dem Thema, trifft man in Gesprächen auf Menschen, die die Existenz der Engel vehement ablehnen und auf solche, die überzeugt sind, dem Wirken der Engel beigewohnt zu haben.
Engel, unter diesem Oberbegriff stehen die fünfzehn Geschichten dieses Bandes. Zwei der Stories haben gar denselben Titel, auch wenn sie naturgemäß inhaltlich ganz eigene, getrennte Wege gehen. Fünfzehn Geschichten erwarten den Leser, Erzählungen, die sich dem Thema aus unterschiedlichsten Richtungen annähern, die verblüffen, schockieren, erstaunen und unterhalten.
Den Auftakt macht Wolfgang Hohlbeins „Engel der Nacht“, in der er uns von einem todkranken Priester berichtet, der seinen lebendig gewordenen Engel eine Frage zuviel für seinen Seelenfrieden stellt, geht es in Corinna Kastners Erzählung gleichen Titels um die Auseinandersetzung mit einem Ausbeuter und die Rettung des mutig für die Rechte der Arbeit einstehenden Protagonisten. Verlagsinhaberin Uschi Zietsch hat mich mit ihrem Beitrag um ein missbrauchtes Kind tief berührt. Einfühlsam und doch erschreckend zeigt sie auf, dass gerade die Kinder ihren Schutzengel nur zu oft dringend brauchen. Jan Osterloh nimmt uns mit auf eine Nachtwanderung. Zusammen mit einer Schulklasse ist ein genervter Lehrer in der freien Natur unterwegs – und wird dabei mit seinen Ängsten, aber auch seinen Wünschen konfrontiert.
Karla Weigand berichtet uns von einer Frau, die auf ihrer letzten Reise die Unwichtigkeit ihrer weltlichen Besitztümer begreift. Jörg Kastner entsetzt den Leser mit einer dystopischen Zukunft, in der der Besitz von Büchern verboten ist – und sich eine Frau als ungewollter Schutzengel betätigt... Katja Göddemeyer erzählt in ihrer sehr melancholischen und stimmungsvollen Geschichte von der Unfähigkeit, so manchen ihre geliebten Verblichenen auch gehen zu lassen. Frank G. Gerigk lässt einen Rachenegel auf vier Verbrecher los. Rainer Schorm lässt eine laszive Schönheit den Männern den Kopf verdrehen – ihre Opfer landen dann in der psychiatrischen Anstalt. Gisbert Haefs entführt uns wieder einmal in die Vergangenheit. Schon vor mehr als 2000 Jahren berichtet er davon, dass Dämonen nichts heilig ist – selbst der Friede am Lagerfeuer in der Wüste wird von ihnen nicht respektiert. Jörg Weigand erzählt uns von der ganz besonderen Anziehungskraft, die von schwarzen Kiefern ausgehen kann...
Manfred Borchard macht einen Wissenschaftler in seinem Bericht zur Ursache der überall auf der Welt aufgefundenen gefrorenen, schwarzen Leichen. Helmut Ehls beschreibt und berichtet uns von eigenwilligen Musen der Science-Fiction-Autoren. Monika Niehaus lässt eine krebskranke Patientin nach einem Ausweg aus ihrem Martyrium suchen – die Gentechnologie soll es richten. Manfred Kastenholz lässt seine Engel in der Form von Werwölfen und Vampire auftreten. Die Mutter eines vergewaltigten Kindes übt grausame Rache an dem Täter...
Es fällt auf, dass vorliegend viele renommierte Autoren vertreten sind, die man sonst in Anthologien kaum findet. Das Thema Engel und dessen unterschiedliche Aufarbeitung scheint die Verfasser inspiriert zu haben, sich vor die Tastatur zu setzen. Die gebotene Qualität ist dabei hervorragend, Ausfälle gibt es keine.
Mir persönlich haben insbesondere die Geschichten gefallen, die sich mit schwierigen Themen beschäftigt haben. Wie gehen wir mit dem Tod um, können wir die geliebten Verblichenen gehen lassen? Wie unwichtig wird Besitz und Schein im Anblick der letzten Grenze? Fragen, denen sich jeder stellen muss, zu denen die Autoren sich ihre Gedanken gemacht haben, und die sie uns ebenso einfühlsam wie eindringlich offerieren.